Das Dorf der Katzen
Thema, Vera: In Choriogatos könnten Sie noch ein paar Urlaubstage verbringen und wären gleichzeitig aus der Schusslinie der Illasandriner. OK?“
Vera dachte kurz nach. Dieser Urlaub stand offensichtlich unter der Überschrift „Jeden zweiten Tag Quartierwechsel!“
Sie seufzte.
„Ja, OK! Aber ich möchte heute Abend noch einmal diese unglaublichen frittierten Fische essen und noch einmal in dieser wunderbaren Dusche stehen! So etwas gibt es in Choriogatos bestimmt nicht.“
„Wer weiß?“, sagte Ioannis lächelnd. „Und darf ich Sie heute Abend zum Essen einladen? Sozusagen als Wiedergutmachung für den Schreck, den ich Ihnen mit meiner Geschichte eingejagt habe“, setzte er noch eins drauf.
Vera lächelte. „Einverstanden. Um halb acht hier?“
Ioannis grinste wie ein Lausbub. „Wo sonst?“
Vera duschte mit Hingabe. Sie war sich sicher, dass es in Choriogatos keine derartige Dusche geben würde.
„Vermutlich machen die im Katzendorf auch nur Katzenwäsche“, dachte sie sarkastisch.
Es tat weh, dieses schöne Haus und seine Gastfreundschaft so schnell wieder verlassen zu müssen. Aber auf der anderen Seite stand die latente Abneigung der Illasandriner und keiner konnte sagen, ob die nicht plötzlich in offene Ablehnung oder sogar Hass umschlagen konnte.
Das wollte sie sich und auch Nikola nicht antun.
Sie verbrachte einige Zeit, sich zu schminken und hübsch zu machen.
Große Auswahl an Garderobe hatte sie nicht zur Verfügung und so entschied sie sich für das Sommerkleidchen mit Spaghettiträgern und dazu Riemchensandalen. Das war so mit das Feinste, was sie dabei hatte.
Als sie fertig gestylt vor dem Spiegel stand und sich noch einmal überprüfte, wurde ihr erst so richtig bewusst, dass sie sich soeben für einen reichlich Unbekannten auch reichlich angestrengt hatte, um das Beste aus ihrem Typ zu machen.
„Vera Kremser!“, sagte sie zu sich. „Halt an dich! Nur ein kleiner Flirt, mehr nicht!“
Pünktlich um halb acht kam sie die Treppe zum Gastraum herunter. Ioannis war bereits da.
„Guten Abend“, sagte er und deutete eine kleine Verbeugung an. „Sie sehen bezaubernd aus! Darf ich?“ Er hielt ihr die Armbeuge hin. Vera hänge sich geschmeichelt ein. Manieren hatte er, gar kein Zweifel.
Ioannis führte sie hinaus auf die Terrasse der Taverne.
Sie sah ihn verstohlen von der Seite an. Er trug einen leichten Sommeranzug aus hellem Leinen mit passendem Hemd. Ein offener Kragen ließ ein dezentes Goldkettchen hervorblitzen. Seine Füße steckten barfuß in Segeltuchschuhen. Er machte eine ausgesprochen gute Figur in diesem Outfit, das musste sie ehrlich anerkennen.
Dass er überhaupt eine solche Garderobe dabei hatte, obwohl er doch angeblich nur zu Studienzwecken hier war, fiel ihr gar nicht auf.
Auf der Veranda war ein Tisch für zwei gedeckt. Stofftischdecke. Schönes Gedeck. Gläser. Stoffservietten. Nikola hatte sich wirklich Mühe gegeben. Auf dem Tisch stand auch eine Vase mit Hibiscusblüten. Hibiscus! Schon wieder!
Ioannis rückte ihr den Stuhl zurecht. Als beide saßen, kam Nikola zu ihnen hinaus. Sie hatte sich auch fein herausgeputzt, die Haare hochgesteckt und trug betont affektiert eine weiße Serviette über dem linken Unterarm.
„Haben die Herrschaften schon gewählt?“, flötete sie.
Dann brachen alle drei in Lachen aus.
Es würde dauern, bis Vera das nächste Mal wieder so lachen konnte.
An diesem Abend waren sie allein. Nicht ein Bewohner von Illasandria kam in die Taverne.
Vera musste wirklich schnellstens hier weg, bevor Nikola pleiteging.
Ioannis und Vera unterhielten sich blendend. Sie erzählte von sich und ihrem Leben in Deutschland.
Von ihrer Boutique, die sie sich alleine aufgebaut hatte.
Und von Saphir. Allerdings ohne das Geheimnis zu erwähnen, das sie beide gehabt hatten.
Ioannis wiederum erzählte von seiner Kindheit und Jugend, die er in Choriogatos zugebracht hatte. Von dem leidigen Militärdienst, der in Griechenland Pflicht war und die jungen Männer für ein Jahr weit von zu Hause weg brachte - Ioannis hatte es ins hinterste Makedonien verschlagen. Die ödeste und sinnentleerteste Zeit seines bisherigen Lebens, wie er sagte.
Er redete über sein Studium in Athen, das er nächstes Jahr mit einem Doppeldiplom abschließen wollte und von seinem Berufswunsch, als Geo-Anthropologe in der Meeresforschung zu arbeiten.
Ioannis stellte sich als äußerst charmanter und angenehmer Zeitgenosse heraus, der zwanglos
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