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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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ihrem Gesicht strafte ihre Worte aber eindeutig Lügen.
    „Woher kommt eigentlich der Name ‚Ch’quar’?“, fragte Vera unvermittelt, „er klingt sehr fremdartig.“
    „Den Namen hat Sigad, einer von uns, vor einiger Zeit geprägt“, sagte Trevor. „Sigad kommt aus dem Sudan. Aus Abri am Oberlauf des Nil. Bei den Nomaden dort ist ein Ch’quar ein sagenhaftes Ungeheuer aus der nubischen Wüste. Menschen fressend. Unsterblich.“
    Vera schluckte trocken.
    „Wie passend“, dachte sie.
    Ioannis brachte sie wieder auf andere Gedanken.
    „Komm mit“, sagte er zu Vera. „Es wird Zeit, dass du o Gerontas kennenlernst. Er ist das Oberhaupt der Abbilder.“
     
    ΦΦ ΦΦ
     
    Die junge Frau war verzweifelt und voller Angst.
    Sie hatte Angst um ihr Leben und um das ihres Kindes. Genauer gesagt, bewusst hatte sie nur Angst um das Leben ihres Kindes. Ihr eigenes stellte sie darunter. Die Angst vor dem eigenen Tod war eher instinktiv.
    Sie hatte eine der größten Verfehlungen begangen, derer sich eine junge Frau in ihren Kreisen und ihrer Religion strafbar machen konnte. Sie hatte sich unverheiratet einem Mann hingegeben und war schwanger geworden. Der Mann - ein einflussreicher Potentat mit Verbindungen hinauf zu den höchsten weltlichen und kirchlichen Kreisen - hatte sie fallen lassen wie ein Stück Dreck. Er würde weder für sie noch sein Kind sorgen und sich schon gar nicht zur Vaterschaft bekennen. Es hätte ihn gesellschaftlich erledigt. Er wäre zwar straffrei geblieben, aber trotzdem, niemand hätte mehr mit ihm Geschäfte gemacht, seine Ehre wäre für immer befleckt gewesen. Also hatte er alles abgeleugnet und sie aus seinem palastähnlichen Haus werfen lassen, als sie ihm ihre Bitte um ein wenig Unterstützung vortragen wollte.
    Die Häscher der Sittenpolizei waren ihr auf den Fersen. Schon längst war sie denunziert worden, womöglich sogar von ihren eigenen Eltern, die sie sofort verstoßen hatten, als sie von ihrem Vergehen erfuhren.
    Das kleine Bündel Mensch in ihren Armen, was sollte nur aus ihm werden? Sie sah ihn an, ihren Sohn. Zwei Wochen war er jetzt alt. So klein und hilflos und doch: in seinen Augen war etwas, das sie nicht deuten konnte. Es war eine gewisse Ernsthaftigkeit und Konzentration darin, nicht die völlige Unschuld und Unwissenheit, wie sonst bei Säuglingen.
    Was tun, wohin, zu wem? Sie stand auf der Brücke über den Fluss, der die Stadt durchströmte und blickte hinab. Es wäre so einfach gewesen: über das Geländer steigen und hinab springen. Das Wasser und die Krokodile hätten sehr schnell für den Rest gesorgt. Aber ihr Kind? Sie konnte es nicht mit in den Tod nehmen. Aber ließ sie es auf der Brücke allein zurück - keiner würde sich darum kümmern. Auch das wäre sein Tod gewesen.
    Eine harte Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
    „Weib, dreh dich um, damit wir dein Gesicht sehen können!“
    Sie fuhr herum. Drei stämmige Männer in Uniform hatten sich vor ihr aufgebaut. Einer sagte: “Das ist das Hurenweib, mitsamt ihrem Balg. Nehmt sie mit.“
    Starke Arme griffen nach ihr, sie riss sich los, drehte sich noch einmal verzweifelt zum Brückengeländer und blickte hinunter. Unten trieb plötzlich, wie aus dem Nichts gekommen, ein Kahn. Darin stand ein groß gewachsener Mann. Er streckte die Arme zu ihr hoch und rief so laut, dass sie es gerade noch hören konnte, aber die Schergen hinter ihr nicht mehr:
    „Wirf mir deinen Sohn herunter! Ich werde sorgen für ihn, das schwöre ich dir bei den Göttern!“
    Grobe Hände packten sie von hinten und wollten ihr das Kind entreißen, das mittlerweile aufgewacht war und jämmerlich schrie.
    Unten stand noch immer der Mann in dem Boot, das jetzt langsam abtrieb.
    Sie gab ihrem Augenstern einen schnellen Abschiedskuss auf die Stirn und warf dann das Bündel hinab zu dem Mann, der es geschickt und sanft auffing.
    Die Häscher traten ihr von hinten in die Kniekehlen, so dass sie zu Boden stürzte, zerrten ihr die Arme auf den Rücken und fesselten sie. Einer der Männer blickte über das Geländer: Es war nichts zu sehen, das Boot war weg.
    „Der Balg ist ersoffen“, sagte er roh.
    „Auch recht“ lachte ein anderer. „Was anderes hätten wir mit ihm auch nicht gemacht, oder?“
    Sie rissen die Frau hoch und schleppten sie zwischen sich weg. Sie wehrte sich nicht.
    Sie hatte noch bis zum nächsten Sonnenaufgang zu leben. Dann würde der Henker kommen.
     
    Der Unbekannte hatte das Boot unter der Brücke an einem Pfeiler

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