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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Wir haben als Kinder zusammen gespielt. Er war total in Charlie verschossen. Marten Wahl. Der Sohn von Walburga. Er muss einen Unfall gehabt haben. Er hinkt. Er hat sich völlig verändert, ich habe ihn fast nicht wiedererkannt. Seit er weg ist, versuche ich, die Schnur an einem kaputten Stuhlbein durchzuschneiden, aber es klappt nicht. Es klappt einfach nicht!«
    Ihre Stimme kippte beinahe vor Verzweiflung.
    »Es tut mir so leid, Jeremy. So leid.«
    Sie schluckte die Tränen weg. Die Haustür wurde geöffnet, Jeremy erkannte das Quietschen wieder.
    »Ich weiß nicht, ob ich das durchhalte. Wenn nicht … Dein Professor hatte Recht, mit allem. Ich gehe zu ihm, das verspreche ich dir. Hauptsache, wir kommen hier wieder raus. Marten hat Bruno getötet. Und ich weiß nicht, was er noch alles gemacht hat, sonst würde er uns hier ja nicht festhalten.« Schwere, unregelmäßige Schritte kamen durch den Flur. »Das ist er. Verdammt.«
    Jeremy gelang es immer noch nicht, sich aufzurichten. Da auch sein Hinterkopf höllisch schmerzte, vermutete er, dass er nach diesem Faustschlag an die Wand geknallt und gestürzt war. Jetzt sah er, wie die Küchentür aufging. Die Beine des Mannes kamen ins Bild.
    »Hilfe«, schrie Cara. Ihre Stimme überschlug sich fast. »Hilfe!«
    »Hier hört dich keiner. Ich hab dir gesagt, du sollst sitzen bleiben und warten, bis ich wiederkomme.«
    Er zog Cara mitsamt dem Stuhl hoch.
    »Was du sagst, interessiert mich einen Dreck«, fauchte sie. Jeremy fand das in ihrer Situation nicht klug. »Lass mich! Nimm deine Pfoten weg!«
    Er ging ungerührt zu Jeremy und überprüfte die Fesseln. Sein Hemd stand zwei Knöpfe weit offen. Er trug eine Silberkette. Noch bevor Jeremy genauer hinsehen konnte, richtete sich Marten, offenbar zufrieden, wieder auf.
    »Das tut weh! Mach mich los!«
    »Deine Schuld. Wärst du einfach geblieben, wo du warst.«
    »Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe! Bist du jetzt völlig durchgedreht?«
    Zwei schnelle Schritte, ein unterdrücktes Stöhnen. Er musste ihr Schmerzen zufügen oder die Kehle zudrücken.
    »Lassen Sie sie los!« Jeremy wusste nicht, wie es ihm gelungen war, diese Worte zu formulieren. Er krümmte sich zusammen, und in dieser Lage gelang es ihm tatsächlich, sich aufzurichten. Der Mann – Marten, Walburgas Sohn – ließ tatsächlich die Hand von Caras Kehle sinken und drehte sich erstaunt zu ihm um.
    »Du hältst dich da raus. Sonst setzt es gleich noch eins.«
    »Was wollen Sie von uns?«
    Marten zog einen Stuhl zu sich heran. Das schrille Geräusch der Metallbeine auf dem Steinboden bohrte sich in Jeremys Kopf wie eine Kreissäge.
    »Ich bin Charlies Freund. Auch nach ihrem Tod.«
    Cara stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Charlies Freund? Träum weiter. Das wüsste ich.«
    Die Körperhaltung ihres Peinigers straffte sich. Fast sah es so aus, als ob er Cara wieder an die Kehle gehen würde.
    »Du weißt gar nichts«, presste er hervor. »Du hast keine Ahnung von deiner Schwester. Du hast dich nie gefragt, was mit ihr los war. Du bist eine egoistische Schlampe und hast immer nur an dich gedacht.«
    »Bist du jetzt auch unter die Irren gegangen, oder was?«
    Er beugte sich vor und nahm ihr Gesicht mit einer Pranke in den Schraubstock. »Sag nicht so was.« Seine Stimme wurde sanfter, büßte aber dadurch nichts von ihrer Gefährlichkeit ein. »Wenn jemand wusste, was Charlie mitgemacht hat, dann ich. Du hast doch nur ab und zu eine Schelle bekommen und den Abwasch machen müssen. Charlie hat alles von dir ferngehalten. Alles.«
    »Was denn?«
    Er ließ sie los. »Du bist keinen Deut besser als der Rest von Wendisch Bruch. Augen zu, Ohren zu und an sich selber denken. So funktioniert das hier.«
    »Ich habe keine Ahnung, von was du redest!«
    »Nein?«, brüllte er. Jeremy zuckte zusammen. Aber Cara schien es überhaupt nichts auszumachen, dass sie Marten bis aufs Blut reizte. »Ich kann es nicht mehr hören: Ich wusste das nicht! Keiner hat es mir gesagt! Aber wer Augen hat, der sehe! Wer Ohren hat, der höre! Wer Herz hat, Cara, der fühle.«
    »Ich habe ein Herz, aber ich zeige es nicht jedem hergelaufenen Penner!«
    Die Ohrfeige klatschte so schnell auf Caras Wange, als hätte er nur auf diesen Moment gewartet. Ihr Kopf flog zurück, sie stöhnte auf, unterdrückte aber einen Schrei.
    »Danke«, sagte sie leise. »Danke, dass du mich daran erinnerst, welche Sprache hier gesprochen wird.«
    Marten rieb sich die

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