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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Willen festgehalten?«
    »Nein«, sagte Brock sanft. »Natürlich nicht. Aber verstehen Sie bitte auch uns. Wir haben die Pflicht, uns ein umfassendes Bild von Ihrer Persönlichkeit zu machen.«
    Rubin presste die Lippen zusammen. Es war klar, was sie von Brocks Art der Gutachtenerstellung hielt.
    »Was war mit den Hunden von Wendisch Bruch?«
    Alle waren still. Jeremy wurde bewusst, dass er gerade einen der wichtigsten Momente in dieser ganzen Geschichte erlebte.
    »Was haben die Hunde Ihnen angetan?«
    »Ich will das nicht«, flüsterte Rubin. Sie beugte sich vor und legte die Hände vors Gesicht. Ihre Schultern fingen an zu beben. Die große, kräftige Frau verlor den Boden unter den Füßen. »Hören Sie auf.«
    »Wenn sie bellten, geschah etwas, vor dem Sie Angst hatten. Große Angst. Was war das?«
    »Nein. Bitte.«
    »Hatte das etwas mit Ihnen zu tun? Mit dem Haus, in dem Sie lebten? Mit Ihrer Familie? Mit Ihrer Tat?«
    »Nein!« Rubin sprang auf, so plötzlich, dass alle im Raum zusammenfuhren. Sie stieß den Professor zurück. »Und wenn Sie mich tausendmal fragen – ich weiß es nicht! Lassen Sie mich raus! Ich will weg hier!«
    »Ruhig, ganz ruhig.« Brock machte eine Handbewegung zu den beiden Beamten, die so aussahen, als ob sie sich liebend gerne auf ihre Gefangene gestürzt hätten. »Das ist in Ordnung. Sehen Sie, deshalb wollen wir ja mit jemandem reden, der sich vielleicht erinnert.«
    »Nicht Cara! Sie war viel zu klein damals.«
    »Zu klein für was?«
    Rubin fuhr sich durch die Haare. Sie war ein in die Enge getriebenes Tier, das keinen Ausweg mehr sah. »Sie weiß nichts. Lassen Sie sie raus.«
    »Gibt es jemanden in Wendisch Bruch, der uns vielleicht weiterhelfen kann?«
    Ihre Augen flackerten. »Nein. Niemand.«
    »Wirklich nicht?«
    »Da ist niemand mehr. Ich will gehen. Darf ich? Ja? – Bringen Sie mich zurück«, bat sie die beiden Polizisten. Sie nahmen sie in die Mitte und führten sie hinaus.
    Jeremy warf den Verbandskasten auf Miezes Schreibtisch. Er hatte das Gefühl, in letzter Sekunde einer Katastrophe entronnen zu sein.
    »Sie wird sich wieder etwas antun«, murmelte er.
    Brock nickte gedankenverloren. »Ich werde gleich in der JVA anrufen. Sie müssen sie im Auge behalten. Ich mache mir große Sorgen.«
    Jeremy hätte Brock gerne gefragt, warum er Rubin so zugesetzt hatte. Ob er sie hatte provozieren wollen. Warum er so auf der Geschichte mit den Hunden beharrte, die für Jeremy in keinem Zusammenhang mit dem Gutachten stand. Jeder kannte diese Kettenreaktion, wenn Dorfköter sich gegenseitig anstachelten. Es war ein dahingesagter Satz gewesen, um die Einöde zu beschreiben, in der Rubin groß geworden war. Andere Dinge erschienen Jeremy viel wichtiger. Das Verhältnis zu den Eltern, zu Schulkameraden, zu Arbeitskollegen. Die Brüche in ihrer Biographie. Rilke. Und Shakespeare. Was hatte sie zitiert? Macbeth?
    »Warum die Hunde?«, fragte er schließlich doch.
    Brock schloss nachdenklich die Praxistür und kam, die Hände auf den Rücken gelegt, zu Jeremy zurück.
    »Die erste Assoziation. Sie hatte Furcht vor ihnen.«
    »Hätte ich auch.«
    Brock lächelte schwach. »Wenn sie Ihnen nachts gegenüberstehen, sicherlich. Aber noch mehr, wenn Sie dieses Bellen in einen unangenehmen, erschreckenden Zusammenhang setzen. Montessori, Darwin, Rogers, ich muss Ihnen doch nicht die Erstsemesterlektüre ans Herz legen. Oder?«
    »Nein.«
    Brock streckte die Hand aus. »Das Gerät?«
    »Ach so, ja.« Jeremy gab es ihm. »Darf ich noch kurz runter und mich von ihr verabschieden?«
    »Von Frau Rubin?«, fragte Brock erstaunt. Dann schien er seinen Irrtum einzusehen. »Ich verstehe. Herr Saaler, gestatten Sie mir eine intime Frage?«
    »Ja?«
    »Sie und Frau Spornitz sind sich nähergekommen?«
    »Ja.« Leugnen war zwecklos. Manchmal glaubte Jeremy, Brock konnte das Leben anderer Menschen sehen wie einen Film. Auch die Szenen, die man gerne verborgen hätte. »Es hat sich so ergeben. Ich kann das trennen.«
    »Aha. Interessant. Dann tun Sie das in Zukunft auch. Und wenn Sie noch einmal vertrauliche Informationen an Außenstehende geben – und zu denen zähle ich Frau Spornitz, so emotional sie sich auch verhalten hat –, ist dies das Ende unserer Zusammenarbeit.«
    »Ich verspreche Ihnen …«
    »Ich will keine Versprechen, Herr Saaler. Ich will Einsicht und Vernunft. Wissen Sie eigentlich, wie Ihr Vater sich ins Zeug gelegt hat, damit Sie bei mir arbeiten können?«
    Auch das noch. Ja,

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