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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Jeremy beinahe gesagt. Das Bild des ruhelosen Panthers, der hinter den Gitterstäben auf und ab schnürt. Es war mit einem Mal gar kein so schlechter Vergleich zu Charlie. Ein Käfig, aus dem der einzige Weg zur Freiheit in den Tod führte. Der Panther bin ich.
    »Um Hunde«, antwortete er stattdessen. »Dorfköter. Diese Rudelkläffer, wenn einer anfängt und alle anderen mit einfallen.«
    »Kommt mir bekannt vor.« Das kurze Grinsen auf Gehrings Gesicht verriet, dass er dieses Verhalten nicht nur aus der Tierwelt kannte. »Haben Sie herausfinden können, was hinter dieser Deckerinnerung steckt?«
    »Nein. Sie ist … wir haben es nicht so weit geschafft.«
    »Glauben Sie, dass diese Hunde etwas mit Wendisch Bruch zu tun haben?«
    »Mit was?«
    »Das ist das Dorf, in dem Charlotte Rubin aufgewachsen ist.«
    »Das weiß ich nicht. Die Hunde sind eine Kindheitserinnerung. Sie mögen geografisch mit diesem Ort verbunden sein. Aber das heißt nicht, dass diese Deckerinnerung auch tatsächlich etwas mit dem Dorf zu tun hat.«
    »Aber möglich wäre es schon?«
    »Möglich, ja. Aber wir begeben uns damit ins Reich der Spekulation. Frau Rubin kann uns keine Antwort mehr darauf geben. Warum wollen Sie das wissen?«
    »Mir ist so ein Fall noch nie untergekommen.«
    »Mir auch nicht. Wir würden gerne verstehen. Aber manchmal gelingt es uns nicht. Tragen Sie es nicht zu lange mit sich herum. Wenn es Sie belastet, dann sprechen Sie mit einem unserer Kollegen bei der Polizei.«
    »Danke. Ich komme sehr gut klar.« Gehring steckte den Notizblock ein und stand auf. Die meisten Männer reagierten wie er. Therapie war etwas für Weicheier.
    »Hat sie es getan?«
    Jeremy starrte den Mann an. Er hatte die Frage nicht verstanden.
    »Oder waren vielleicht zwei Täter am Werk?«
    Das fragte ihn ein Kriminalhauptkommissar, der eine so lückenlose Indizienkette zusammengetragen hatte, dass zur Eröffnung des Strafverfahrens nur noch Brocks Gutachten gefehlt hatte.
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Schon gut. Wo kann ich Frau Spornitz finden?«
    »Hier.«
    »Hier?«
    »Sie hatte heute Morgen einen Termin bei Professor Brock. Die Nachricht vom Tod ihrer Schwester hat ihr sehr zugesetzt.«
    »Kann ich sie sehen?«
    Jeremy erhob sich ebenfalls. »Wenn Sie sich einen Moment gedulden? Ich werde sie fragen.«
    Er verließ das Büro und ging über den Flur ins Vorzimmer. Er sah die Tür zu Brocks Büro halb offen stehen und ahnte, was passiert war, noch bevor er den Raum betrat.
    Sie war fort.
    Jeremy eilte zurück ins Vorzimmer, doch Mieze war auch schon weg. Er riss die Tür zum Treppenhaus auf und lauschte. Nichts. Wann war sie an ihnen vorbeigeschlichen? Wie viel hatte sie von der Unterhaltung mit Gehring mitbekommen?
    »Sie ist weg, nicht wahr?«
    Gehring war ihm gefolgt und trat nun an ihm vorbei in den Hausflur. Er reichte Jeremy die Hand.
    »Wenn ich noch weitere Fragen habe, wende ich mich an den Professor.«
    »Ja«, antwortete Jeremy zerstreut.
    »Wo könnte sie sein?«
    »Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Zurück nach Dessau?«
    Gehring nickte, wandte sich ab und lief die Treppe hinunter. Jeremy schloss die Tür. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz und atmete tief durch. Aber das half auch nicht gegen den Druck in seiner Brust.
    Sie war fort. Charlie war tot. Die Kriminalpolizei ermittelte weiter. Er fühlte sich hilflos, als sei er in ein Spiel geraten, das er nicht verstand. Einen Moment lang beneidete er Gehring. Den Mann, der felsenfest davon überzeugt war, mit allem klarzukommen.

25
    W alburga schlug zu. Die rote Flüssigkeit spritzte über die Wachstischdecke. Sie legte den Hammer zur Seite und versuchte, mit einem antiquarisch aussehenden Büchsenöffner die Dose aufzuhebeln.
    »Lassen Sie mich das machen.«
    Im Ofen schmurgelte ein Rinderbraten vor sich hin. Die gestückelten Tomaten sollten der Abrundung der Soße dienen. Sanela versuchte ihr Glück, kam aber auch nicht viel weiter. Immerhin konnte sie die Öffnung um so viel erweitern, dass sie den Inhalt in die Kasserolle schütten konnte.
    »Danke.« Walburga schloss die Ofenklappe. »In einer Stunde gibt’s Essen.«
    Sanelas schlechtes Gewissen hatte sich gelegt. Die kräftige Frau mit den braungrauen Haaren war eigentlich nur darüber enttäuscht gewesen, dass sie nicht schon früher von ihrem Gast über dessen Beruf informiert worden war.
    »Hätten Sie mich dann aufgenommen?«, hatte sie gefragt.
    Aber Walburga war ihr die Antwort schuldig geblieben.

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