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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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damals, wenn sie immer stiller wurde und mit keinem mehr geredet hat. Und wehe, man hat sie angesprochen. Dann ist sie ausgerastet. In dieser Verfassung war sie lange nicht mehr. Ich kenne sie besser als jeder andere, soweit man Charlie kennen konnte. Ich habe gespürt, dass es wieder losgegangen ist bei ihr.«
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Weil ich Idiot der Meinung war, im Knast wäre sie sicher? Weil ich das ganze Elend, diese ganze grauenhafte Geschichte hier nicht ausbreiten wollte?« Sie sah hoch und blitzte ihn wütend an. »Hier, bei euch. Vor euch. Ihr hättet sie doch sofort zu einer Irren abgestempelt!«
    »Du unterschätzt Professor …«
    »Ich unterschätze alles! Ich bin so blöd zu glauben, dass man sich in einer Zelle nicht umbringen kann! Wie konnte das passieren? Mit einer Heftklammer? Sie hat sie hier geklaut. In dieser Praxis. Ja, ich habe unterschätzt, wie unfassbar leichtsinnig ihr mit Patienten umgeht. Warum lasst ihr sie nicht gleich mit einer Pistole allein? Das wäre schneller und schmerzloser.«
    Sie ließ sich zurückfallen und starrte an die Decke. Jeremy fühlte, wie ihre Trauer und ihre Wut auch ihn überwältigten. Abstand, dachte er, geh auf Abstand. Aber das würde bedeuten, Cara alleinzulassen. Er wünschte sich, der Mann zu sein, der ihr zur Seite stehen könnte. Der sie nicht mit ihrer Trauer und den grausamen Erlebnissen im Regen stehen lassen würde. Wenn er ihr helfen wollte, musste er Psychologe sein. Kein Liebender.
    Kaum hatte er das Wort gedacht, erschrak er davor.
    »Ich komme gleich wieder«, sagte er leise.
    Sie nickte und drehte sich weg.
    Der Mann, der aufsprang, als Jeremy sein Büro betrat, war Mitte dreißig und einer von der Sorte, die mit bloßem Händedruck Nüsse knackten. Er hatte ein schmales Gesicht mit eng stehenden blauen Augen, die nur deshalb nicht verschlagen wirkten, weil sein Lächeln offen und seine Körperhaltung zurückgenommen selbstbewusst war. Sie waren ungefähr gleich groß und von ähnlicher Statur, allerdings kam sein Gegenüber wesentlich häufiger zum Sport und hatte offenbar Freude daran, das Resultat zur Schau zu stellen. Jeremy konnte mit Muskelprotzen nichts anfangen. Sein Vorurteil tendierte dazu, einen Zusammenhang zwischen Trizepsgröße, Penislänge und Gehirnmasse zu konstruieren. Doch dieser gottbegnadete Halb-Adonis mit den engen Sommerhosen und den Quetschfalten im Schritt schien es zu widerlegen.
    »Kriminalhauptkommissar Lutz Gehring, Mordkommis sion Sedanstraße.«
    Freundliche Stimme, gute Artikulation. Wacher Blick, knappes Lächeln. Kein Schwätzer, der mit den eigenen Zeitressourcen und denen seiner Mitmenschen verschwenderisch umging.
    »Bitte, nehmen Sie doch wieder Platz.«
    Jeremy umrundete den Schreibtisch und setzte sich ebenfalls. Dieser Raum wurde zum Arbeiten genutzt, deshalb fehl ten gemütliche Sessel und ein Kaffeetisch. An den Wänden standen Regale, in denen Teile von Brocks beeindru ckender Bibliothek genauso versammelt waren wie Jeremys Nachschlagewerke. Sein Schreibtisch hätte aufgeräumter sein können, aber er verspürte kein schlechtes Gewissen. Nur Neugier, was diesen Ironman der Berliner Kripo hierhergetrieben haben könnte.
    »Man hat mir gesagt, Professor Brock sei den Rest des Tages außer Haus und nicht erreichbar.«
    »Natürlich ist er für Sie zu sprechen, ich gebe Ihnen gerne seine Nummer. Aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    Gehring ließ den Blick über den Schreibtisch wandern. Er sah das Aufnahmegerät und die Handakte mit der Aufschrift »Charlotte Rubin«.
    »Waren Sie an der Erstellung des Gutachtens im Fall Rubin beteiligt?«
    »Ja. Bevor wir weiterreden – Ihnen ist bekannt, dass die ärztliche Schweigepflicht auch nach dem Tod eines Patienten nicht endet.«
    »Das betrifft nicht die polizeilichen Ermittlungen.«
    Jeremy brauchte eine Sekunde, bis er begriff.
    »Charlotte Rubin hat Selbstmord begangen. Ich verstehe nicht ganz. Die Ermittlungen müssten so oder so eingestellt sein. Und Frau Rubins Suizid fällt doch kaum in die Zuständigkeit einer Mordkommission. Was führt Sie zu uns?«
    »Ich bin … ich war der leitende Beamte bei den Tierpark-Ermittlungen.«
    Jeremy schlug die Akte auf, fand die Untersuchungsberichte und blätterte sie durch bis zur letzten Seite mit der Signatur des ausstellenden Beamten. »Stimmt. Sie haben das unterschrieben, deshalb kam mir Ihr Name auch so bekannt vor. Ja, ich war bei den Sitzungen dabei. Aber ich bin nicht in der Lage,

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