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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Superintendent? Haben Sie auch ’n paar ›außers‹ für uns?«
    Elizabeth Wulfstans Akzent störte ihn noch immer, auch wenn er inzwischen wußte, daß er keine Verarschung war, sondern echt.
    Er antwortete: »Im Moment fallen mir keine ein, Miss. Außer … diese deutschen Lieder über tote Kinder, wollen Sie die immer noch morgen singen?«
    »O ja. Sie wollen wohl ’ne Freikarte ergattern, was? Tja, eine könnten wir wohl entbehren, aber ich nehme mal an, so’n Fettbrocken wie Sie wird sicher zwei brauchen, und ob wir so viele hergeben können, weiß ich dann doch nicht.«
    Das war auf jeden Fall eine Verarschung, egal mit welchem Akzent.
    Dalziel sagte: »Ich dachte nur, Sie hätten es sich unter den Umständen vielleicht anders überlegt.«
    Der Smörebröd nickte ihm anerkennend zu, aber Elizabeth zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
    Sie sagte: »Kinder sterben, ständig. Zeigen Sie mir einen Ort, wo ich die Lieder singen kann, an dem keine Kinder gestorben sind.«
    »Wir sprechen hier nicht im allgemeinen, sondern im speziellen«, erwiderte Dalziel.
    »Ich dachte, das Mädchen von der Liggside wird nur vermißt«, entgegnete sie. »Genau wie die andern. Sie werden nur vermißt. ’ne Leiche haben Sie doch nie gefunden, oder?«
    Sie sprach ganz ruhig, als ginge es nur um höfliche Konversation.
    Dalziel erwiderte: »Fünfzehn Jahre sind ’ne lange Zeit fürs Vermißtsein. Ich glaube nicht, daß irgend jemand …«
    Er hielt inne. Daß irgend jemand erwartet, sie plötzlich durch die Tür kommen zu sehen, hatte er sagen wollen, doch da fiel ihm seine Begegnung mit Joe Telford wieder ein. Und was wußte er wirklich über Wulfstan und seine Frau – was dachten sie? Oder die Hardcastles? Nach dem, was Clark ihm erzählt hatte, hörte es sich so an, als sei jeder aus der Familie irgendwie durchgedreht, mehr oder weniger.
    Vielleicht war er der einzige Mensch in Mid-Yorkshire, der ohne Zweifel glaubte, daß die Kinder tot waren … Nein, nicht der einzige … Einer mußte es sogar ganz sicher wissen.
    Er sagte: »Jedenfalls ist das nicht mein Bier. Sie können singen, was Sie wollen, Herzchen, solange es kein öffentliches Ärgernis wird.«
    »Danke«, erwiderte sie ernsthaft. »Aber ich werd überhaupt nicht singen, wenn der Raum hier nicht geeignet ist. Bist du fertig, Inger?«
    Inger Sandel hatte während der ganzen Unterhaltung nur ein einziges Mal zu Dalziel geblickt, während sie sich mit dem – für sein ungeübtes Ohr vermeintlich überflüssigen – Stimmen des Klaviers beschäftigte. Allerdings hatte er den Eindruck, daß ihr kein einziges Wort entgangen war. Jetzt lehnte sie sich etwas zurück und spielte langsam eine Tonleiter, erst bedächtig, dann immer kräftiger, bis sie schließlich die gesamte Tastatur bearbeitete. Die Töne erfüllten den Raum der Kapelle. Schließlich hörte sie auf und lauschte dem verhallenden Echo mit derselben andächtigen Verzückung wie dem vorherigen Klang. Dann drehte sie sich zu Elizabeth und nickte ihr kaum merklich zu.
    »Na, dann woll’n wir mal«, meinte die.
    Dalziel wandte sich zum Gehen, und Arne Krog folgte ihm Richtung Tür.
    »Ich finde, Sie haben recht, Mr. Dalziel«, sagte er. »Elizabeth sollte die ›Kindertotenlieder‹ nicht singen. Um dieses Ortes willen. Und um ihrer selbst willen.«
    »Ihrer selbst willen?«
    Krog zuckte mit den Schultern.
    »Elizabeth ist stark, wie eine Stahltür. Man sieht nicht, was dahinter liegt. Aber wie Sie wissen, wird ein Erwachsener als Kind bereits geformt. Vielleicht sollten wir dort einmal hinsehen.«
    Ehe Dalziel antworten konnte, begann Inger Sandel zu spielen; ein abrupter, schneller, aufwühlender Sturzbach von Noten, bevor der Gesang mit den passenden Worten einsetzte.
    »In such foul weather, in such a gale,
I’d never have sent them to play up the dale!
They were dragged by force or fear.
Nought I said could keep them here.«
    Elizabeth schmetterte die Worte mit solcher Wucht in den Raum, daß sich die Kapelle inmitten des sonnigen Wetters zu einer Sturmoase verwandelte. Während sie sang, waren ihre Augen auf Wulfstan gerichtet, der zunächst seine Unterhaltung mit dem Brandschutzmeister fortzuführen versuchte, bald aber den Kopf drehte, um die Sängerin zu beobachten.
    »In such foul weather, in sleet and hail,
I’d never have let them play out in the dale,
I was feart they’d take badly;
Now such fears I’d suffer gladly.«
    Sie hielt abrupt inne, ebenso die Begleitung.
    »Ein

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