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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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hörte. Er vermutete, daß sie all ihr Leid, soweit es ging, mit sich selbst ausgemacht und sich schließlich irgendwie damit abgefunden hatte. Was ihre Kräfte jedoch überstieg und womit sie sich nach all den Jahren nicht hatte abfinden können, war die nüchterne Verrücktheit ihres Mannes, sein naives Beharren, daß die kleine Madge noch lebte und nur auf ihre Rettung wartete. Also war sie geflüchtet. Nicht weit, nur zu George, der seinem Bruder sehr ähnlich sah. Dalziel mochte wetten, daß sie in der Nähe wohnten und ein Auge auf Joe hatten. Und daß die Leute aus Danby das akzeptierten. Wenn es um außereheliche Freuden ging, waren Yorkshire-Bauern so nachtragend wie der Einpeitscher im Parlament, aber wenn es um den häuslichen Frieden ging, waren sie oftmals gelassener als die alten Römer.
    Freundlich sagte er: »Wir werden tun, was richtig ist, Mr. Telford. Ist Mr. Wulfstan jetzt hier?«
    »Ja, er und ein paar andere. Ich warte hier nur auf den Lastwagen. Mr. Wulfstan hat veranlaßt, daß meine Siebensachen bei ihm in der Firma eingelagert werden. Ich hab ihm zwar gesagt, er soll sich keine Mühe damit machen, bei diesem Wetter passiert ihnen schon nichts. Aber er hat darauf bestanden. Er ist ein guter Mann.«
    »Ich werd mal hingehn und mit ihm reden, Mr. Telford. Machen Sie’s gut.«
    Er überquerte den Hof und dachte, das ist nicht der richtige Ort für mich. Er meinte nicht die Kapelle, er meinte Danby. Als er die Nachricht von dem vermißten Mädchen bekam, hätte er sofort krank werden oder Urlaub nehmen und die ganze Sache Peter aufbürden sollen. Dann fiel ihm ein, was Peter Pascoe inzwischen aufgebürdet worden war, und er brummte bei sich: »Reiß dich zusammen, Mann, oder du endest noch wie der arme Joe Telford.«
    Er blickte zurück zur Gasse. Telford war tiefer in den Schatten getreten, und das einzig Sichtbare war das Weiß seiner Augen. Vielleicht suchte er dunkle Orte, weil er sich dort auf irgendeine Weise seiner Tochter näher fühlte?
    Dalziel schüttelte den deprimierenden Gedanken ab und öffnete die Tür der Kapelle.
    Drei der dort anwesenden Personen schoben Industriesauger über den Boden, was das Summen erklärte. In dem Gebäude stand keine einzige Kirchenbank. Vielleicht waren sie entfernt worden, als man die Kapelle freigegeben hatte. Oder vielleicht hielten die Beulahiten nichts vom Gottesdienst im Sitzen. Es gab keine so harmlose Sache, daß nicht irgendeine religiöse Sekte sie zur Sünde erklärt hätte.
    Am hinteren Ende, wo vermutlich der Altar gestanden hatte (falls Altare zu ihrer Religion gehörten), sah er Wulfstan mit einer Gruppe Leuten stehen, zu denen auch die beiden Sänger gehörten. Hinter ihnen saß Inger Sandel am Klavier, schlug Noten an und prüfte sie, noch lange nachdem sie in Dalziels Ohr verklungen waren. Cap Marvell war nirgends zu sehen. Er spürte einen Stich der Enttäuschung, sagte sich dann aber, daß er kein Recht hatte, enttäuscht zu sein. Nicht, wenn der Mann, den er hatte sehen wollen, zur Stelle war.
    Wenn die Dinge ins Stocken gerieten, dann setzten sich einige Ermittlungsbeamte einfach hin und gingen die bisherige Geschichte noch einmal haarklein durch. In seinem Team waren zwei Leute, die genau das tun konnten, jeder auf seine Weise. Sein eigenes Vorgehen war jedoch, Dinge voranzutreiben, nicht lockerzulassen, dem Gegner keine Ruhe zu gönnen, selbst wenn er nicht im mindesten wußte, wer dieser Gegner war. Als Peter Pascoe eben diese Unwissenheit als Argument heranzog, um seine Technik für ungültig zu erklären, hatte Dalziel erwidert: »Nein, das macht nix. Der Kerl weiß, wer
ich
bin, und solang er mich arbeiten sieht, legt er sich nicht friedlich in sein Bettchen. Immer überall draufhaun und sehn, wo’s nachgibt!«
    »Superintendent«, begrüßte ihn Wulfstan. »Ich hoffe, Ihnen ist nicht eingefallen, daß Sie diese Kapelle auch noch brauchen.«
    »Nee, Sie gehört Ihnen«, entgegnete Dalziel großmütig. »Nur Stehplätze hier, was? Wie bei einem Stehkonvent?«
    »Stehkonzert, meinen Sie. Da stehen die Leute, ja, aber hier werden alle sitzen. Sobald der Raum gereinigt ist, werden Stühle aufgestellt.«
    »Wie ich sehe, machen Sie sich mit der Säuberung ja viel Mühe.«
    »Die Luft in einer Tischlerei ist einem Sänger nicht besonders zuträglich«, erwiderte Wulfstan. »Ich werde später noch einen Staubextraktor aus meiner Firma bringen lassen, um den letzten Rest wegzubekommen. Nun, wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Nur

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