Das Dorf der verschwundenen Kinder
Rübezahl und hätte mich wohl lieber erschossen, als mir zu helfen. Aber seine Frau ist in Ordnung und hat ihn zum Stallausmisten geschickt oder so was, während sie mir erzählte, ja, da sei ein Campingbus gewesen, und der Fahrer habe so komisch gesprochen, könnte Australier gewesen sein …«
»Sind das Alteingesessene, diese Holmes?«
»Sie meinen, ob sie Lightfoot erkannt hätten? Holmes ja, aber er hat den Kerl nie gesehen. Um die Camper kümmert sich seine Frau, und die stammt aus Pately Bridge.«
»Und wann ist unser Känguruh angekommen?«
»Letzten Freitag abend. Und gestern morgen ist er wieder weg.«
»Mist«, sagte Dalziel. »Aber ganz schön cool, wenn das unser Mann ist. Sonst noch was, Wieldy? Das Autokennzeichen vielleicht?«
»Mrs. Holmes meinte, es sei ein C und eine 2 und eine 7 dabeigewesen. Nicht viel, aber die Verkehrsabteilung arbeitet daran. Allerdings kennt sie seinen Namen. Slater.«
Die besondere Betonung war unnötig. Dalziel erkannte den Namen sofort.
»Wie Marion Slater, meinen Sie. Der neue Name von Bennys Mutter, als sie mit ihrem zweiten Mann auswanderte. Haben Sie eigentlich schon Antwort auf unsere Anfrage an Adelaide?«
»Noch nicht.«
»Na ja, wollen wir uns mal nicht zu sehr freuen. Der Name ist recht häufig.«
»Das Gesicht allerdings nicht.«
»Was meinen Sie damit? Ich denke, diese Mrs. Holmes ist nicht von hier …«
»Ja, aber ich habe ein altes Foto von Benny aus der Akte genommen, es kopiert und ein bißchen auf älter getrimmt und ihr dann gezeigt.«
»Und?«
»Und sie meinte, das sei er. Mr. Slater. Kein Zweifel.«
Cap sah, wie Dalziel mit dem Arm voller Klamotten wieder ins Schlafzimmer kam, sie aufs Bett warf und sich anzog.
»Du willst gehen? Ich hatte gehofft, daß du die Nacht über bleibst.«
»Ich auch. Tut mir leid. Ist was dazwischengekommen.«
»Etwas, das du mir erzählen kannst?«
»Ist noch nicht spruchreif. Nur ein Verdächtiger.«
»Und ihr habt ihn?«
»Nein. Der Stinkstiefel läuft noch irgendwo rum. Aber wenn er der Richtige ist, werd ich ihn kriegen, da hab ich absolut keine Zweifel.«
Er sprach mit solch finsterem Nachdruck, daß Cap erschauerte.
Mit unverhohlenem Interesse beobachtete er die Auswirkungen dieses Erschauerns auf ihre Brüste.
Sie sagte: »Tja, nimm doch den Schlüssel, falls du Lust hast, hinterher noch vorbeizukommen.«
»Ich werd sehen, was sich machen läßt.«
Nachdem er gegangen war, zog sie ihren Bademantel an und genehmigte sich einen Scotch aus der Supermarkt-Billigflasche, die sie in der Küche versteckt hatte. Der Single Malt schmeckte natürlich besser, aber das war kein Grund, alte Gewohnheiten abzulegen.
Die Dinge entwickelten sich schneller, als sie erwartet hatte. Zu schnell? Wer konnte das sagen? Sie spielte dieses Stück nach Gehör, und ihr Ohr war nicht mehr so zuverlässig wie früher. Was sie brauchte, war ein Zeichen, oder besser ein Geräusch, nach dem sie ihre Feinabstimmung vornehmen konnte.
Das Telefon klingelte.
Tja, das war ein Geräusch. War das die Antwort?
Sie nahm den Hörer ab. »Hallo? Beryl, hi. Ja, mir geht’s gut. Nein, im Moment ist niemand da. Das heißt aber nicht … na ja, vielleicht doch … Mein Gott, du bist ekelhaft … aber wenn du eine Stunde Zeit hast, und da du ja den Anruf bezahlst, mach’s dir bequem, und ich erzähl dir alles.«
Neun
B ilden Sie sich ja nicht ein, ich merke nicht, daß Sie das hier als Zeitverschwendung betrachten, bloß weil Sie’s nicht zeigen«, grollte Dalziel.
Wield neben ihm, der mit gewohnter Gleichmütigkeit die überwachsenen Hecken betrachtete, die die ohnehin schmale Straße noch mehr einengten, auf der sie gefährlich schnell dahinrasten, machte sich nicht die Mühe zu antworten.
Sie waren auf dem Weg von Danby nach Nether Dendale, um noch einmal mit Mrs. Holmes zu sprechen, und obwohl der Sergeant sicher war, daß die Frau alles gesagt und er alles Notwendige veranlaßt hatte – eine Suchmeldung nach einem weißen Campingbus mit einem C, einer 2 und einer 7 auf dem Nummernschild herauszugeben, Kopien seiner zeitgemäßen Benny-Lightfoot-Version anfertigen und an alle Streifenpolizisten verteilen zu lassen sowie Adelaide bezüglich ihrer Nachforschungen über die Familie Slater per Fax zur Eile zu drängen –, dachte er keineswegs, daß dieser zweite Besuch Zeitverschwendung war. Wenn sich in einem Fall wie diesem die Frustration anstaute, dann mußte ein weiser Untergebener dafür Sorge tragen, daß
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