Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
erwischte, sollte man sie erst aus der Mangel nehmen, wenn man sie ganz und gar ausgequetscht hatte. Ein uniformierter Polizist kam herbei und ließ sich von Dalziels gorgonischem Starren nicht aufhalten.
    »Was ist?«
    »Sie sollen Sergeant Wield im Infomobil anrufen, Sir.«
    Was bedeutete, daß er zur Sicherheit eine Erdleitung nehmen sollte und kein Handy. Was bedeutete … Jackie Tilney sagte: »Im Büro ist ein Telefon. Da können Sie ungestört sprechen.«
    Sie hatte seine angespannte Reaktion gespürt. Kluge Frau.
    Er ging ins Büro und wählte. Nach einem halben Klingeln wurde abgehoben.
    »Ich bin’s«, sagte er.
    »Wir haben sie gefunden, Sir.«
    An Wields Tonfall hörte er, daß sie tot war. Im Kopf hatte er die Hoffnung auf ein glückliches Ende ja schon lange aufgegeben, aber das beklemmende Gefühl in seiner Brust sagte ihm, daß sein Herz heimlich noch gehofft hatte.
    »Wo?«
    »Im Tal.«
    Dessen Durchsuchung er am Abend zuvor abgeblasen hatte. Verdammt.
    »Bin unterwegs. Sie haben das Nötige veranlaßt?«
    Überflüssige Frage.
    »Ja, Sir.«
    »Bitte so unauffällig wie möglich, Wieldy.«
    Überflüssige Anordnung. Geboren aus seinem schlechten Gewissen.
    »Ja, Sir.«
    Er legte den Hörer auf und ging zur Theke zurück.
    »Das wäre erst mal alles, Herzchen«, sagte er. »Danke für Ihre Hilfe.«
    Ihr Blick sagte ihm, daß seine Bemühungen um Gelassenheit umsonst waren.
    Er nahm »Das Ende von Dendale«.
    »Darf ich mir das ausleihen?«
    »Solange Sie die Gebühr bezahlen«, antwortete sie. »Viel Glück.«
    »Danke«, sagte er.
    Er marschierte aus der Bibliothek. Plötzlich fühlte er sich energiegeladen. Der Schmerz darüber, daß der Tod des Mädchens bestätigt worden war, brannte noch immer. Doch gleichzeitig spürte er auch ein anderes Gefühl, das weniger lobenswert war und besser vor anderen geheimgehalten wurde.
    Nach fünfzehn Jahren hatte er endlich eine Leiche. Leichen konnten einem was erzählen. Leichen hatten Kontakt zu Mördern gehabt, und das in deren verzweifeltsten, eiligsten und gedankenlosesten Momenten. Reines Verschwinden gebar Gerüchte, falsche Spuren, Mythen und Phantasiegespinste. Eine Leiche jedoch …
    Er mochte sich dafür hassen, doch er konnte seinen beschwingten Gang nicht zurücknehmen, während er zu seinem Wagen eilte.

Sieben
    D er Mittwochmorgen brachte den Pascoes endlich einen Hoffnungsschimmer.
    Mrs. Curtis, der Kinderärztin, fehlten noch immer einige Watt zum strahlenden Optimismus, doch als sie sagte: »Gestern schien es eine Weile so, als würden wir ins Bodenlose fallen, aber heute sieht es eher so aus, als hätten wir schlicht und ergreifend den Tiefpunkt überwunden«, überhörte Ellie sogar das medizinisch überhebliche wir und fiel der peinlich berührten Frau um den Hals.
    Sie wußte, daß es noch zu früh zum Feiern war. Rosie war noch immer ohne Bewußtsein. Aber endlich gab es überhaupt etwas Hoffnung, und mit der Hoffnung bekam ihr Geist genug Raum, um seine unablässige Konzentration auf eine einzige Sache aufzugeben.
    Am späten Vormittag betrachtete Ellie sich kritisch im Spiegel des Waschraums. Sie sah fürchterlich aus, aber das war nichts im Vergleich zu Peter. Er sah aus wie jemand, der vollkommen am Boden war und dann noch ein paar Tiefschläge hatte hinnehmen müssen. Was der Sache ja auch nahekam, wie sie dachte.
    Beide hatten sie den falschen Beruf gewählt, das hatte sie schon oft gedacht. Er hätte sich am Rande des akademischen Lebens ein ruhiges Plätzchen suchen sollen, einen kontemplativen Roman schreiben, Rosie zur Schule bringen und abholen, das Haus in Schuß halten … nein, mehr als in Schuß halten; das eine Mal, als er das Bügeln übernommen hatte, hatten sogar die Unterhosen Bügelfalten gehabt, du liebe Zeit! Wenn Peter dafür zuständig wäre, würden sie jede Nacht in frisch gebügelter Bettwäsche schlafen.
    Und sie? Sie hätte da draußen in den gefährlichen Straßen sein sollen, Schläge austeilen und einstecken, mit einem kleinen Kratzer von einem Fall zum nächsten gehen und nicht mit diesen tiefen Narben, die noch lange die Knochenhaut reizen, auch wenn außen alles verheilt zu sein schien.
    Auf dem Weg zurück ins Krankenzimmer kam eine Schwester auf sie zu und sagte: »Mrs. Pascoe, da ist jemand am Telefon für Ihren Mann. Sie sagt, sie sei eine Kollegin, und es sei wichtig.«
    »Sagt sie das«, meinte Ellie pikiert. »Nun, das werde ich beurteilen.«
    Sie ging zum Telefon und nahm den Hörer

Weitere Kostenlose Bücher