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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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steckte.
    Vielleicht war ihre Theorie gar nicht so dumm. Wenn er von hier aus das Schild so deutlich erkennen konnte, dann konnte auch jeder von dort mit einem Fernglas ein kleines Mädchen mit Hund auf diesem Weg erspähen.
    In Turnbulls Wagen war kein Fernglas gewesen, aber er hatte eines in seinem Bungalow gehabt.
    Er setzte den Feldstecher ab und betrachtete die Landschaft mit bloßem Auge. Der Hang war steil, aber nicht zu steil und hauptsächlich mit Gras bewachsen. Wenn er sich beeilte, konnte ein Erwachsener in vier bis fünf Minuten hier unten sein, schätzte Wield.
    Wieder hinauf, noch dazu mit einem Kind auf dem Arm, war eine andere Geschichte. Zwanzig Minuten … wahrscheinlich eher dreißig, je nachdem, wie fit man war. Turnbulls Schultern wirkten breit genug, daß er ohne Schwierigkeiten das Mädchen hätte tragen können, aber wie trainiert waren seine Beine?
    In jedem Fall war es ein verdammt großes Risiko.
    Aber wenn er da unten ein einsames und schwaches Kind entdeckte, was kümmerte einen dermaßen kranken Mann schon das Risiko?
    Tigs Bellen riß Wield aus seinen Phantasien.
    Es schien tief aus dem Innern der Erde zu kommen, und sein erster Gedanke war, daß das dumme Tier in ein Hasenloch gekrochen war. Dann sah er, daß der Hund unten in der Schlucht steckte.
    Und anscheinend hatte er etwas gefunden.
    Hinunterzuklettern war recht einfach. Ein schmaler Schafpfad schlängelte sich den Hang hinab und war kein Problem für jemanden, der sich in Form hielt. Wield war bald im Schatten, doch jede Hoffnung, daß dies besser sei als die direkte Sonnenbestrahlung, erwies sich bald als nichtig. Es war wie der Abstieg in eine Wanne voll heißer Luft, und schlimmer noch als die Hitze war der Gestank der Verwesung darin.
    Hunde, Männer, Infrarotkameras – sie konnten das doch nicht übersehen haben, dachte Wield.
    Und jetzt erkannte er, daß das natürlich auch nicht der Fall gewesen war. Der Trampelpfad verlief durch die Sohle der Schlucht und führte gegenüber geradewegs wieder hinauf, bis ein Felsbrocken den Weg versperrte, dem der Pfad zunächst auswich und dann im Zickzack bis nach oben verlief.
    Neben dem Felsbrocken lagen die Überreste eines Schafs. Aasfresser hatten es bereits geplündert, und ein paar Knochen lagen verstreut um den Kadaver. Doch die Verwesung war in der Hitze so schnell vorangegangen, daß nicht einmal hungrige Füchse das Fleisch noch verlockend fanden und nur noch Fliegen sich darüber hermachten, die bei jedem Bellen wie eine windgebeutelte Rauchwolke hin und her schwirrten.
    »Weg da, Junge!« rief Wield.
    Der Hund drehte sich herum, machte ein paar unsichere Schritte auf ihn zu, lief dann aber wieder zurück.
    »Um Gottes willen, hat der Tierarzt dir denn nichts zu fressen gegeben?« fragte der Sergeant. »Du mußt ja ganz und gar verzweifelt sein, wenn du deine Schnauze in diesen Dreck reinstecken willst!«
    Er atmete tief ein und hielt die Luft an, während er den ausgetrockneten Flußlauf durchquerte, um mit Tig auf dem Arm auf der anderen Seite wieder hochzusteigen.
    Der Hund sträubte sich, als Wield ihn packte, und jaulte zum Gotterbarmen.
    Muß ganz und gar verzweifelt sein …. hörte er seine eigenen Worte im Geist.
    Er blieb stehen und holte wieder Luft. Jetzt kümmerte er sich nicht mehr um den Gestank. Er blickte auf die Stelle, an der der Kadaver lag. Genau darüber verlief die Klamm beinahe senkrecht, und es war leicht nachzuvollziehen, daß ein Schaf auf der Suche nach noch nicht sonnenverdorrtem Gras sich zu nahe über den Abgrund geneigt, den Halt verloren und sich auf dem Felsbrocken das Genick gebrochen hatte.
    Aber dann wäre es doch bestimmt auf den Grund der Schlucht gefallen und nicht an diese Stelle des Pfades, der einen kaum zwanzig Zentimeter breiten Sims am stellen Abhang bildete.
    Der Hund lag nun träge auf seinen Armen, als spüre er, daß er nicht länger getadelt wurde.
    Wield ging zurück zum Flußbett. Dort lag ein Stein, an dem Wollfetzen und ein brauner Fleck zu sehen waren, der Blut sein könnte. Der Sergeant blickte zurück zum Kadaver. Das Gras am Ufer des fast ausgetrockneten Bachlaufs war stellenweise niedergedrückt und einige Farnwedel umgeknickt. Als wäre etwas entlanggeschleift worden. Und da waren auch noch mehr Spuren von Schafwolle an den Steinen.
    Er setzte den Hund ab und kletterte wieder zum Schafskadaver. Der Boden hier war zu steinig, um etwas zu begraben. Aber so wie der große Felsbrocken lag, könnte im Zwischenraum

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