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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Friedhof mit gähnenden Gräbern und einem ängstlich dreinblickenden Pfarrer, der den Aushub eines Sarges beobachtete. Hier war das »Holly Bush«, dessen Wirt gerade das Schild abmontierte. Dort war das Klassenzimmer, ohne Schüler, ohne Pulte, nur ein paar Zeichnungen hingen noch an den Fenstern und verrieten, daß hier eine Schule gewesen war. Und da war das Gemeindezentrum, das gerade von einem Mann mit offensichtlich schweren Aktenbehältern verlassen wurde, der die Tür mit dem Absatz zustieß.
    Das Gesicht war unverkennbar das von Sergeant Wield. Die Polizei hatte ebenfalls zusammenpacken müssen, obwohl das Buch die andere Tragödie des langen heißen Sommers in Dendale mit keinem Wort erwähnte. Für diese Art von Buch war das richtig. Diejenigen, die betroffen waren, würden kein Souvenir brauchen …
    Pascoe blätterte weiter und fragte sich, was zum Teufel Benny Lightfoot – wenn er es denn gewesen war – außer den Landkarten noch interessiert haben könnte.
    Im ersten Teil war Neb Cottage nur ganz klein im Hintergrund zu sehen gewesen, aber hier war ein anderes Foto, auf dem es größer abgebildet war. Allerdings nicht in der Weise, wie ein zurückgekehrter Bewohner es gern gesehen hätte. Es zeigte die Hütte just im Moment ihrer Zerstörung. Ein dramatisches Bild, auf dem die Abendsonne alle Kontraste verstärkte. Ein Bulldozer, auf dessen Schubrahmen der Name Tiplake deutlich zu erkennen war, erklomm eine Gebäudeseite wie ein gefräßiger Dinosaurier, die Wände brachen zusammen wie angeschossenes Wild, und der Kamin war oberhalb des Hausgiebels eingerissen und nach hinten gekippt, so daß er wie ein im gequälten Todesschrei aufgerissener Mund aussah.
    Er blätterte bis zum Ende. Das zweitletzte Foto zeigte den Zufluß der angestauten Wasser vom Highcross Moor über den Hügel zwischen Neb und Beulah Height. Es war ein düsteres und unheilschwangeres Bild mit wolkenverhangenem Himmel und diesiger Luft von dem Regen, der die Dürre beendet hatte.
    Und das letzte Foto zeigte das neue Tal, wieder im Sonnenschein, mit einem bis zum Rand gefüllten Stausee – eine Szene, die so ruhig und friedlich und leblos war wie die Gedenkhalle eines Krematoriums.
    Er blickte zu Novello auf. Sie erwiderte seinen Blick, aber nicht, wie er erleichtert feststellte, voller Erwartung, sondern voller Hoffnung.
    Er sagte: »Er besucht seine Großmutter, er geht in die Stadtbibliothek und studiert alte Zeitungsausschnitte und dieses Buch, er macht Fotokopien von den Landkarten und campiert draußen in Dendale bis gestern morgen, wo er zusammenpackt und wieder zur Leihbücherei geht. Das wissen wir. Was wollen Sie noch wissen?«
    Die Hoffnung in ihrem Gesicht wich Überraschung.
    »Na ja, ich will wissen, was er vorhat, ich will wissen, warum er …«
    »Ja«, unterbrach Pascoe. »Aber warum wollen Sie das wissen, warum?«
    »Weil … wenn wir es wissen, könnte es uns helfen, ihn so bald wie möglich zu schnappen. Damit wir ihn über seine mögliche Verbindung zum Tod von Lorraine Dacre befragen können«, erwiderte sie.
    »Das ist richtig. Es
könnte
uns helfen, ihn zu schnappen. Ehrlich gesagt, ist es aber viel wahrscheinlicher, daß wir ihn über den Campingbus schnappen oder weil er wieder im ›Wark House‹ anruft. Sie haben das geklärt, nehme ich an?«
    »Ja, Sir.«
    »Also zerbrechen Sie sich nicht den Kopf mit diesen hirnigen Detektiv-Vermutungen«, meinte er matt. »Neugier ist gut, aber es kommt die Zeit, wo man wieder zum Team zurück muß, und sei es nur, um Tee einzuschenken.«
    »Ich hab nur gedacht …«
    »Denken tut keinem weh. Hier. Sehen Sie sich’s selbst noch mal an, bevor Sie gehen. Ziehen Sie die Tür einfach zu. Aber nicht zu laut, ja?«
    Er stand auf und verließ das Zimmer. Sie hörte, wie er die Treppe raufging.
    Sie setzte sich hin, schlug das Buch auf und hatte das Bild vor Augen, auf dem der Bulldozer Neb Cottage abriß.
    Ob es nun ein bedeutungsvoller Zufall war oder nicht, Benny Lightfoot jedenfalls hatte sicher lange Zeit über diesem Foto gesessen. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie sie selbst auf ein ähnliches Foto blickte, das die Zerstörung des Vorort-Reihenhäuschens zeigte, in dem sie aufgewachsen war. Obwohl es kein so urtümliches Haus war wie Neb Cottage, würde es ihr das Herz brechen, die Zimmer aufgerissen zu sehen, in denen sie sich als Kind so unendlich sicher gefühlt hatte.
    Aber Pascoe hatte recht, dachte sie, und schloß das Buch. Man sollte blanke

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