Das Dorf der verschwundenen Kinder
Wield wußte, der einzige Dank war, den er in dieser Angelegenheit ernten würde.
Bei seinem Motorrad angekommen, mußte er feststellen, daß der Hund nicht wieder in den Korb zurückwollte, doch als Wield sich auf den Sattel schwang und vor sich auf den Tank klopfte, sprang Tig hinauf, als wäre er von Geburt an so durch die Gegend gereist.
Wield nahm sich Zeit. Wozu Eile? Er versuchte, an nichts zu denken und nur zu entspannen, den kühlenden Wind auf dem Gesicht zu spüren, die Unebenheiten der Landschaft in seinen Beinen. Hinunter zum Ligg Common, vorbei am Infomobil, vor dem Inspector Burroughs auf ihn wartete, damit er sie über die Neuigkeiten aufklärte. Er fuhr an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Schließlich kam er vor Liggside Nr. 7 zum Stehen.
Noch ehe er den Motor abstellen konnte, sprang Tig hinunter und rannte bellend durch die offene Tür.
Oh, verdammt! dachte Wield. Verdammt, verdammt, verdammt!
Er eilte dem Tier hinterher, aber es war schon zu spät. Tony und Elsie Dacre waren aufgesprungen und starrten mit hoffnungsvoll geweiteten Augen zur Tür, weil Tigs Bellen die Erinnerung an die heimkehrende Lorraine wachrief.
»Es tut mir leid«, sagte Wield hilflos. »Es tut mir leid.«
Er entschuldigte sich dafür, daß er den Hund hatte hineinlaufen lassen, doch seine Worte galten auch für seine schwerere Aufgabe. Elsie Dacre schrie: »O nein. O nein!« Und brach weinend in den Armen ihres Mannes zusammen.
»Wo …? Wie …?« stammelte Tony Dacre.
»Oben am Hang, am Bach, wo er durch die tiefe Schlucht läuft«, antwortete Wield. »Tig hat sie gefunden.«
»Was ist passiert? Ist sie …«
»Was genau passiert ist, wissen wir erst, nachdem sie … Aber der Arzt sagt, sie war vollständig bekleidet. Kein Hinweis auf Mißhandlungen.«
Das war mehr, als er vor der Obduktion sagen durfte, aber er konnte nicht dastehen und den Schmerz mit ansehen, ohne zumindest das Wenige zu tun, das in seiner Macht stand.
»Wir werden jemanden zur Identifizierung brauchen«, fuhr er fort.
Elsie riß den Kopf hoch. Die Hoffnung war wie ein kleiner schwarzer Käfer. Man tritt darauf, so fest man kann, doch er krabbelt weiter.
»Es ist also nicht sicher?« fragte sie flehend.
»Doch, es ist sicher«, sagte er leise. »Die Kleider passen auf die Beschreibung. Und wir hatten das Foto. Es tut mir leid. Hören Sie, ich werde später wiederkommen, um einen Termin auszumachen. Sie werden etwas Zeit brauchen …«
Er drehte sich um und ging. Er schämte sich für seine Erleichterung, dieses Zimmer hinter sich lassen zu können, in das nun endgültig der Tod eingekehrt war.
Eine Frau kam durch die Eingangstür. Es war Margaret Coe, Elsie Dacres Mutter.
Sie sagte: »Ich hab Sie hineingehen sehen. Ist was passiert?«
Wield nickte.
»Wir haben sie gefunden.«
»Gott im Himmel!«
Sie schob sich an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Wield verließ das Haus. Er spürte mehrere Augenpaare auf sich gerichtet. Ohne sie zu beachten, stieg er auf sein Motorrad. Tony Dacre trat mit Tig auf den Armen aus dem Haus.
»Könnten Sie ihn wohl mitnehmen?« fragte er. »Es wird zu schwer werden, ihn dazubehalten. Jedesmal, wenn er bellt, ist es, wie wenn … Außerdem scheint er Sie zu mögen … Ich meine nicht, daß Sie ihn zum Tierarzt bringen sollen, verstehen Sie … nur, daß sich jemand eine Weile um ihn kümmert … Hören Sie, haben Sie die Wahrheit gesagt vorhin? Er hat ihr nichts angetan?«
»Soweit man das ohne genaue Untersuchung feststellen konnte«, sagte Wield.
»Tja, das ist immerhin etwas«, sagte Tony Dacre. Dann sah er zum blauen Himmel hinauf und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wir sind schon eine komische Spezies, wie? Da steh ich nun, hab gerade gehört, daß meine Tochter tot ist, und versuche Trost darin zu finden, daß sie nicht vergewaltigt wurde. Um Gottes willen, was für Kreaturen sind wir bloß, Sergeant? Wozu sind wir nur gut, jeder von uns?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Wield. »Ich weiß es einfach nicht.«
Er setzte den Hund vor sich und dachte im Davonfahren: Du Dreckskerl, wer immer du bist, du bringst uns alle um, weil du unseren Glauben aneinander zerstörst, den Glauben an uns selbst. Uns graut nicht nur vor deiner Tat, uns graut auch vor uns selbst, weil wir Teil derselben Rasse sind, die das hervorgebracht hat, was du bist.
Zwischen seinen Beinen ertönte ein Schnarchen. Tig war eingeschlafen, den Kopf auf Wields Oberschenkel.
Und was zum Henker wird Edwin
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