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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wenn die Dinge nicht so passiert wären, wie sie passiert sind, nie die Chance gehabt hätte, sie ausbilden zu lassen. Ich hätte höchstens mal im Pub gesungen. Karaoke. Das wär wahrscheinlich das Äußerste gewesen. Statt dessen könnte es nun sein, daß sie in hundert Jahren auf mich zurückblicken, so wie wir jetzt auf die Melba zurückblicken. Die erste große Diva des neuen Millenniums. Klingt wie ein Plan, was? Man könnte fast meinen, es wäre ein Plan gewesen.«
    Er sah sie durchdringend an, sagte aber nur: »Du hast vor, deinen Umfang zu vergrößern?«
    »Was? Oh, Melba. Ja, vielleicht. Ich könnte es, glaube ich. Wir werden mal sehn, was die alte Frau in Italien nächstes Jahr sagt.«
    »Die alte Frau in Italien ist eine der besten Gesangslehrerinnen unserer Zeit«, sagte Wulfstan. »Und nicht billig.«
    »O ja«, meinte Elizabeth gleichgültig. »Wenn sie mich hört, wird sie wahrscheinlich auf Kredit arbeiten und wissen, daß sie ihr Geld bekommt. Was ist da unten wohl los?«
    Ein paar Männer standen im flachen Wasser neben der Ruine von Heck. Einer von ihnen stieg aus dem Wasser, ging zu einem geparkten Range Rover und holte einen langen Wagenheber aus dem Fond. Dann kehrte er zum Wasser zurück und fing an, im Morast herumzustochern.
    »Anscheinend suchen die nach was«, sagte Wulfstan.
    »Ach ja? Und ist da was, das sie finden könnten, hm?«
    Er sah sie einen Moment lang an und sagte dann: »Ich hab ihn gesehen, weißt du.«
    »Wen?«
    »Benny Lightfoot. Ich war hier oben und hab ihn gesehen.«
    »Da unten?«
    »Nein. Hier oben auf dem Grat. Und er ging zum Neb hin.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Ich bin ihm gefolgt, was denn sonst? Ist das nicht der Grund, warum uns böse Geister erscheinen? Damit sie uns ins Verderben stürzen?«
    »Und? Hat er?«
    »Natürlich. Es war kein weiter Weg. Elizabeth …«
    »Ja?«
    »Eines noch. Falls …«
    »Ja«, sagte sie. »Ich glaube, es wird Zeit, daß wir einen Anfang machen.«
    »Den Neuanfang, meinst du?«
    »Das auch. Obwohl der wahrscheinlich für uns gemacht wurde. Walter, es tut mir leid.«
    »Was denn? Dich trifft doch überhaupt keine Schuld.«
    »Nein, aber das habe ich immer gedacht, und ich kann mich doch nicht ganz und gar irren, oder? Laß uns reden. Aber erst, wenn ich gesungen hab, ja?«
    Sie nahm seine Hand und führte ihn fort vom Tal, und Hand in Hand stiegen sie den Leichenpfad wieder hinunter.

Vierzehn
    E s war ein Risiko, wenn auch nur ein geringes, die Cafeteria zu verlassen, um Verstärkung anzufordern. Novello hatte genug Stunden im Kraftraum des Polizeiquartiers verbracht, um sich einem unbewaffneten Mann in den Weg zu stellen, aber zwei waren da schon etwas heikler. Und während Turnbull vermutlich keine andere Waffe als seinen Charme besaß, konnte sie bei Lightfoot nicht sicher sein.
    Als sie zum Eingang zurückging, sah sie, daß sie gerade rechtzeitig kam. Die beiden Männer waren aufgestanden und steuerten auf die Tür zu. Sie bemerkte, daß Lightfoot die Ledertasche trug, was bedeutete, daß er nur noch eine Hand frei hatte. Sie machte kehrt und suchte auf dem Parkplatz Deckung.
    Noch war keine Hilfe in Sicht, aber die konnte nicht mehr weit sein. Auf der Küstenstraße waren immer Streifenwagen. Sie würde sie nicht kommen hören, da sie ausdrücklich auf eine Anfahrt ohne Sirene bestanden hatte. Manchmal hatte sie den Verdacht, daß ihre männlichen Kollegen sich mehr von Polizeifilmen als von Lehrgängen beeinflussen ließen. Im Fernsehen schien sich niemand der Vorteile eines geräuschlosen Anschleichens an den Verdächtigen bewußt zu sein. Sie läuteten entweder mit einer Alarmglocke oder brüllten einfach »He! Sie!« aus einer Entfernung von fünfzig Metern. Natürlich hatte das zur Folge, daß man aufregende Verfolgungsjagden zu sehen bekam oder vehementen Schußwechsel, was optisch besser wirkte. Im wirklichen Leben wollte man aber weder gesehen noch gehört werden, bevor man nicht einen halben Nelson ausgeführt hatte.
    Aber wie auch immer, sie konnte nicht mehr warten. Ein Verdächtiger in einem Auto erschwerte eine Verhaftung um das Doppelte.
    Als die Männer näherkamen, wandte Novello sich ab und beobachtete sie in der Scheibe eines abgestellten Peugeot. Dann, als sie auf ihrer Höhe waren, drehte sie sich um, setzte ein strahlendes Lächeln auf und sagte: »Geordie, was für eine Überraschung! Warum stellen Sie mich Ihrem netten Freund nicht vor?«
    Turnbull lächelte instinktiv zurück, ehe er Novello

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