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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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durch den Schock der letzten Tage nicht ein wenig durcheinander war.
    »Genau. Nina ist ein Mädchen mit blonden Zöpfen, so wie hier.« Er ging zu seinem Wagen und holte das Büchlein der Eendale Press hervor.
    »Und so sieht der Nix aus. Erinnert der Sie an jemanden?«
    Dalziel schüttelte den Kopf. Doch Novello sagte: »Das Foto in der ›Post‹ …«
    »Genau. Ich habe Rosie die Seiten gezeigt, und sie deutete geradewegs auf Wulfstan und sagte: ›Da ist der Nix.‹ Ich bin sicher, daß sie ihn gesehen hat, Sir.«
    Der Dicke schüttelte wieder den Kopf – weniger aus Ablehnung, als um einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Pete«, sagte er freundlich. »Das Mädchen hat Schreckliches durchgemacht. Sie auch. Da kann man ganz schön durcheinanderkommen. Andererseits ist sie die einzige in Ihrer Familie, die ich mit zwei Schweinen zum Markt schikken würde. Es könnte also nicht schaden, der Sache nachzugehen.«
    Mit neuem Energieschub marschierte er zum Seeufer, wo die Taucher ihre Ausrüstung zusammenpackten, sprach kurz mit Perriman, hob die Kette auf und zog sie auf dem Weg zum Range Rover hinter sich her.
    »Na, dann los«, rief er. »Pete, Sie kommen mit uns. Esther Williams da unten wird Ihren Wagen zurück nach Danby bringen. Ich lasse Sie nicht mehr aus den Augen, sonst weiß der Himmel, was für
dannen
und
wannen
Sie noch ausgraben.«
    »Wo genau fahren wir denn hin, Sir?« erkundigte sich Pascoe, während er auf den Beifahrersitz kletterte.
    »Was glauben Sie wohl? Sie mögen doch Musik, oder? Wir gehn ins Konzert. Und ich denke, wenn wir oft genug
Zumutung
brüllen, dann singt uns irgendeiner noch ein Lied.«
    »Ich glaube, Sie meinen
Zugabe,
Sir«, meldete Pascoe sich vorsichtig.
    »Ich weiß genau, was ich meine«, erwiderte Andy Dalziel.

Achtzehn
    D as Eröffnungskonzert des zwanzigsten Mid-Yorkshire Dales Sommer-Musikfestivals begann mit Verspätung.
    Das geschah nicht unerwartet. Trotz Plakaten, Zeitungsnotizen und Mundpropaganda hatte nicht jeder von der Änderung des Austragungsortes erfahren, und mehrere Gäste mußten von St. Michaels Hall zur Beulah-Kapelle umdirigiert werden.
    Unter den gegebenen Umständen beschwerte sich niemand. Kommerziell gesehen, war es sogar eine gute Sache, dachte Arne Krog, während er eine Gruppe Konzertbesucher beim Betrachten der ausgelegten Kassetten und CD s beobachtete. Auf einem halben Dutzend war er selbst vertreten, wobei er nur auf zweien davon als Solist sang. Seine Plattenkarriere verlief parallel zu seiner Konzertkarriere – ein beständiges Glänzen, das sich wohl kaum mehr zu dem Feuerwerk eines Stars steigern würde.
    Elizabeth hatte nur eine einzige CD anzubieten, aber sie war es, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog. Krog überraschte das nicht. Die Klugen unter den Musikliebhabern würden ein halbes Dutzend kaufen und sie mit Datum signieren lassen. In fünfzehn Jahren könnten es begehrte Sammlerstücke sein. Seine Stimme hingegen würde nie in Vergessenheit geraten, weil sie auch nie als erinnerungswürdig erachtet worden war. Bei diesem Gedanken lächelte er wehmütig. Zwar hatte er anderen ihren Starrummel immer geneidet, doch betrachtete er die dazu erforderliche stimmliche Begabung als Gottesgeschenk, das einfach nur bewundert werden konnte. Deshalb störte es ihn nicht, daß Elizabeth ein Star werden könnte. Er bedauerte nur, daß ihr Leuchten das Licht anderer dämpfen würde.
    Er war sich immer noch nicht sicher, ob es richtig gewesen war, dem Polizisten den Umschlag zu geben. Es war aus einem Impuls heraus geschehen und wäre ihm bei Dalziel wahrscheinlich nicht passiert.
    Er ging in den Raum, der die Sakristei wäre, falls die Beulahiten Sakristeien hatten. Elizabeth saß dort und wirkte so ruhig wie ein zugefrorener See. Inger machte die vor jedem ihrer Konzerte üblichen Fingerübungen. Walter starrte auf seine Armbanduhr, als hätte sie einen direkten Befehl verweigert.
    »Ich glaube, wir müssen anfangen«, sagte er.
    »Gut«, sagte Krog. »Ich bin bereit. Inger?«
    »Ja.«
    Sie sahen zu Wulfstan. Früher einmal war er als Vorsitzender des Komitees als eine Art Conférencier aufgetreten und hatte die Künstler vorgestellt. Doch war er dabei so steif gewesen, daß sie irgendwann damit aufgehört hatten. »Es ist weniger ein Aufwärmen«, hatte Krog gefunden, »als ein Abkühlen des Publikums.« Nun war es Brauch geworden, daß er ihren Stammgästen den Beginn des Konzerts signalisierte, indem er sich einfach zu Chloe in die

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