Das Dorf der verschwundenen Kinder
Verbrechen begangen wurde, sondern daß es nicht von Pascoe begangen worden war, dem er nicht zutraute, nicht geschnappt zu werden. »Aber warum hat der Smörebröd sie Ihnen gegeben? Und was zum Henker haben sie mit den Knochen da unten zu tun?«
»Da ist noch etwas«, erklärte Pascoe. »Eine überarbeitete Version. Oder vielleicht eher die autorisierte Version. Entscheiden Sie selbst.«
Er nahm drei Bogen blaues liniertes Papier aus dem Umschlag, die mit runder, flüssiger Handschrift in schwarzer Tinte bedeckt waren.
Dalziel nahm sie an sich, legte sie auf das Wagendach und begann zu lesen.
Es gab keine Überschrift.
Ich habe darüber nachgedacht, was ich Dr. Appleby erzählt habe, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das alles richtig gesagt habe. Bis zu dem Moment, wo ich runter zum Mere lief und zu rufen anfing »Bonnie! Bonnie!«, da stimmt alles noch. Dann, glaube ich, hörte ich jemanden zurückrufen, und ich weiß, daß das bescheuert ist, aber ich dachte nie, daß es jemand anders sein könnte als Bonnie. Ich war durchnäßt und verängstigt und erst sieben, deshalb habe ich mich nie gewundert, warum mein Kater plötzlich sprechen konnte, und als ich wieder rief und »Hier, hier!« hörte, bin ich einfach auf die Stimme zugelaufen.
Sie kam genau vom Ufer, wo die Ruinen von Heck lagen. Ich kletterte über die eingestürzten Mauern und rief immer weiter, und wieder hörte ich die Antwort, die aus einer Öffnung kam, die halb von einem großen Stein und jeder Menge Geröll verdeckt wurde. Aber ich schaffte es, ein wenig davon zur Seite zu schieben, bis es ausreichte, daß ich durchkriechen konnte. Es war dunkel und naß da unten, und ich wußte, wo ich war, nämlich in dem Keller, wo Mr. Wulfstan seine teuren Weine aufbewahrte. Ich war mit Mary da unten gewesen, und es war wirklich unheimlich, selbst mit Licht an. Jetzt sah es aus wie das Loch in unserem Hof, ich meine, den Hof auf Low Beulah, wo Dad immer den ganzen Dreck runterspülte, als Mam anfing, sich zu beschweren, daß wir wie auf einem Misthaufen leben. Ich habe mir immer angesehen, wie der Dreck und das Wasser runterblubberten, und mir vorgestellt, wie es wäre, da unten zu sein, mit den ganzen Ratten und so. Also hatte ich keine große Lust, in den Keller von Heck zu gehen, aber plötzlich hörte ich keine Stimme, sondern ein langgezogenes Miauen, das ich unter tausend anderen erkannt hätte. Da habe ich nicht mehr lang überlegt. Bonnie war da unten und brauchte meine Hilfe.
Also bin ich durch die Öffnung gekrabbelt. Da lag ziemlich viel Schutt herum, der eine Art Treppe bildete, und als ich weiter nach unten kam, mußte ich ins Wasser steigen. Es war noch nicht hoch, nur bis knapp über meine Knie, und zum Glück war da ein bißchen Licht, das durch die Öffnung schien und sich auf dem Wasser spiegelte, so daß ich nach einer Weile sehen konnte, was es zu sehen gab.
Ich sagte: »Bonnie, bist du da?«, und eine Stimme antwortete: »Hier bin ich«, und da entdeckte ich die Gestalt in einer Kellerecke und erkannte, daß ein Mann da war. Ich strengte meine Augen sehr an und sah Benny Lightfoot, der Bonnie im Arm hielt.
Danach passierte mehr oder weniger das, was ich Dr. Appleby erzählt habe.
Aber als Bonnie sein Gesicht zerkratzte und Benny ihn loslassen mußte und ich mit Bonnie weglief, da erinnere ich mich, wie Benny hinter mir herrannte. Und er kam ziemlich nahe, und ich dachte schon, gleich wird er mich packen, und drehte mich um, weil ich mich wehren wollte. Aber da blieb er plötzlich stehen, und hinter ihm war was Langes, was sich jetzt spannte, und ich sah, daß es eine Kette war, die an einem Ende um seinen Körper und hinten an der Mauer befestigt war.
Er streckte seine Hände nach mir aus, und seine Augen waren groß wie Suppenteller, weil sein Gesicht so mager und abgezehrt war. Und er machte mir gar keine Angst mehr, er sah eher selber so aus, als ob er furchtbare Angst hätte. Er sah ganz traurig und verloren aus. Und er sagte nur: »Hilf mir doch, bitte, hilf mir.«
Da drehte ich mich um und kletterte hinaus, und ich weiß noch, wie ich eine Menge Steine und Zeug auf die Öffnung warf, bevor ich den Berg hinauflief, so schnell ich konnte, egal wohin, bis ich anhalten und mich ausruhen mußte. Da hat mich dann mein Dad gefunden.
Ich glaube, das ist die Wahrheit, weil Dr. Appleby sagte, ich würde mich viel besser fühlen, wenn ich mich an die wahren Begebenheiten erinnere, und ich fühle mich jetzt viel besser, wo
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