Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
bescheidenen Verhältnissen – sein Vater war Bergmann in Yorkshire gewesen –, trug jedoch die Abzeichen des Wohlstands – das Armani-Hemd, die Gucci-Uhr –, als wären sie ihm in die Wiege gelegt worden.
    Sie erwiderte sein Lächeln und sagte: »
Dreimal
gepicknickt? Das klingt aber ziemlich exzessiv!«
    »Nein, wir hatten ein Frühstückspicknick, ein Mittagspicknick und ein Teepicknick, und wir sind durch ein Feuer gefahren …«
    »Ein Feuer? Waren Sie in der Nähe dieses Unfalls?« fragte sie besorgt.
    »Sie meinen den Auffahrunfall auf der Hauptstraße? Davon hab ich in den Nachrichten gehört. Nein, wir sind durchs Hinterland gefahren – das war zwar länger, aber um einiges schneller. Das Feuer brannte im Highcross Moor, als wir zurückkamen. Viel Rauch, keine Gefahr, obwohl in der Gegend von Danby viel Polizei unterwegs war.«
    »Ja. Peter ist auch da. Ein Kind wird vermißt, ein kleines Mädchen.«
    Er machte ein betroffenes Gesicht und lächelte dann wieder.
    »Tja. Schön, Sie zu sehen, Ellie. Und dann noch so viel von Ihnen …«
    Er sprach übertrieben anzüglich und ließ seinen Blick in einer Parodie dramatischer Lüsternheit über ihren bikinibedeckten Körper gleiten. Ellie erinnerte sich an einen Satz aus irgendeinem Psychobuch, das sie kürzlich gelesen hatte: »Um das Unverbergbare zu verbergen, tun wir so, als ob wir nur so tun.« Purlingstone war das, was ihre Mutter einen »gefährlichen Charmeur« genannt hätte. Ellie hatte kein Problem damit, überlegte aber, wie nahe sein Gehabe wohl an sexuelle Belästigung grenzte, wenn er mit jüngeren untergebenen Frauen in seiner Firma schäkerte.
    Trotz dessen und obwohl er ein hohes Tier in der Privatwirtschaft war, mochte sie diesen Kerl ganz gern, vor allem aber seine Frau Jill, die sich ganz undramatisch bei Marks & Spencer einkleidete und darauf bestanden hatte, daß Zandra auf die Edengrove kam und nicht zu einer dieser, wie sie es nannte, »Schickimickischulen, wo man sich für schulwappenbestickte Schlüpfer dumm und dämlich zahlt«.
    »Keine Zeit für einen Drink?« fragte sie nach.
    »Tut mir leid, aber ich fahre lieber. Zandra geht es nicht so gut. Wahrscheinlich zuviel Sonne. Sie hat die helle Haut ihrer Mutter, nicht wie wir südländischen Typen, die Olivenöl draufgießen und brutzeln können, hm?«
    Wieder dieser feurige Blick, dann schlängelte sich seine Hand vor, und eine Sekunde lang dachte Ellie, er wolle nach ihrer Brust greifen. Doch er wuschelte nur Rosie durch das kurze schwarze Haar und ging dann zu seinem Mercedes-Kombi zurück, dessen Farbe zufällig genau zu seiner Jeans paßte. Zufällig? Der Kerl hat vermutlich zu jedem seiner schicken Outfits einen passend lackierten Wagen, dachte Ellie. Normalerweise war sie nicht der neidische Typ, und sie gönnte es Derek ja auch. Aber bei diesem Wetter wäre es schon recht nett, eine Klimaanlage im Auto zu haben anstelle von Rostloch-Zugluft wie bei ihrem fahrbaren Backofen.
    Rosies Stimme unterbrach ihre Gedanken. »Mummy, du hörst ja gar nicht zu!«
    »Doch, ich hör dir zu. Na ja, jetzt höre ich dir zu. Komm, setz dich hin und erzähl mir alles. Tut mir leid, daß es Zandra nicht gut geht.«
    »Ach, das wird schon wieder«, meinte Rosie schulterzuckend. »Ich will Daddy aber auch alles erzählen.«
    »Und er wird auch alles hören wollen«, erwiderte Ellie. »Also wirst du nicht drum herumkommen, es ein zweites Mal zu erzählen, wenn er wieder zu Hause ist.«
    Die Aussicht auf einen weiteren gebannten Zuhörer war ganz offensichtlich nicht unangenehm. Die Erlebnisse des Tages sprudelten in einem Wortschwall aus ihr hervor, und ihre persönlichen Empfindungen und Stimmungen ließen alle räumlichen und zeitlichen Details in den Hintergrund treten. Unerfreulich war nur, daß Zandra auf dem Heimweg angefangen hatte zu kränkeln und daß Rosie ihr »Kreuz« verloren hatte. Die Purlingstones waren katholisch, und Zandra trug ein winziges Kruzifix an einem Silberkettchen um den Hals. Rosie hatte folglich verlauten lassen, ihr Lebensglück sei ohne so ein Kreuz nicht vollkommen, und Ellie hatte es ihr aus mehr Beweggründen, als sie aufzählen wollte, verboten. Doch als ihre Tochter sich mit beachtlichem Einfallsreichtum einen dolchförmigen Ohrring aus Ellies Schmuckschatulle borgte, ein blaues Bändchen durchzog und ihn als Kreuz um den Hals hängte, war keiner von ihnen imstande gewesen, ihr das Ding wegzunehmen.
    Ellie nahm sich im stillen vor, den anderen Ohrring

Weitere Kostenlose Bücher