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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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kriegen können.«
    Wulfstan stand einen Moment reglos, schob dann einen eleganten, aber unbequem aussehenden Holzstuhl heran und setzte sich direkt vor den Dicken.
    »Fragen Sie, was Sie fragen müssen«, sagte er.
    »Wo waren Sie gestern morgen zwischen, sagen wir, sieben und zehn Uhr?«
    »Das wissen Sie doch bereits. Ich nehme an, daß jemand meinen Wagen gesehen hat.«
    »Ich weiß, wo Ihr Wagen war, Sir, aber das heißt ja nicht unbedingt, daß Sie ihn gefahr’n haben.«
    Wulfstan nickte kurz und erwiderte: »Ich habe meinen Discovery gegen halb neun am Leichenpfad abgestellt, nicht weit von St. Michael’s Church. Dann bin ich spazierengegangen und kurz nach zehn zum Wagen zurückgekehrt.«
    »Allein?«
    »Das ist richtig.«
    »Und wo waren Sie spazieren?«
    »Den Leichenpfad hinauf bis zum Paß und denselben Weg wieder zurück.«
    »Das dauert etwa dreißig, fünfunddreißig Minuten hin und zurück. Was haben Sie den Rest der Zeit über gemacht, Sir?«
    »Ich stand am Paß und blickte auf Dendale hinunter«, sagte Wulfstan schlicht.
    Die Frage »Auf was Bestimmtes?« lag Dalziel auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Der Mann versuchte zu kooperieren.
    »Haben Sie auf dem Weg rauf oder runter oder von da oben aus jemanden geseh’n, Sir?«
    Wulfstan neigte den Kopf nach vorn und legte seine beiden Zeigefinger auf die Stirn. Es war eine typische Denkerhaltung, aber dieser Mann strahlte dabei tatsächlich tief versunkene Konzentration aus.
    »Unten in Dendale standen ein paar Fahrzeuge«, sagte er schließlich. »Am Staudamm. Aus einem stiegen einige Leute aus, vermutlich Touristen. Durch die Dürre kommen allmählich die Ruinen der alten Häuser zum Vorschein, und das zieht die Leute magisch an. Auf dem Weg selbst habe ich niemanden gesehen, tut mir leid.«
    Er schickte sich an aufzustehen. Ende der Befragung. Denkste, dachte Dalziel und machte es sich im Lehnstuhl bequem.
    »Geh’n Sie oft den Leichenpfad rauf, Sir?« erkundigte er sich.
    »Oft? Was ist oft?«
    »Die Zeugin, die Ihren Wagen geseh’n hat, sagt, sie hätte ihn in den letzten Wochen öfters geseh’n.«
    »Das ist kein Wunder. Meine Firma hat eine Forschungsabteilung und ein Ausstellungszentrum im Industriepark, und wenn ich dort bin, nehme ich oft die Gelegenheit wahr, mir die Beine zu vertreten.«
    »Es geht doch nix über ein bißchen Bewegung«, sagte Dalziel und klopfte sich mit einer Selbstgefälligkeit auf den runden Bauch, mit der Arnold Schwarzenegger wohl seinen Bizeps spielen ließ. »Aber gestern war Sonntag.«
    »Ich weiß. Ich bin Ingenieur, Superintendent, und das erste, was sie uns beigebracht haben, waren die Wochentage«, entgegnete Wulfstan eisig. »Ist das Brechen der heiligen Sonntagsruhe in Yorkshire wieder zur Straftat erklärt worden?«
    »Nein, Sir. Ich wundere mich nur, daß Sie an einem Sonntag zur Arbeit geh’n, noch dazu so früh. Sie sagten doch, daß Sie deswegen nach Danby fuhren; wegen der Arbeit, und nicht, um spazierenzugeh’n?«
    »Ja, das stimmt. Und genau das tue ich seit vielen Jahren immer wieder einmal, Superintendent, wie Sie sicher nachprüfen können. Aber warum Sie Grund dazu haben sollten, ist mir schleierhaft. Meine Arbeit verschlingt so viel meiner Zeit, daß ich leicht aus den Augen verliere, was das Geschäft eigentlich am Laufen hält. Ich bin in erster Linie Ingenieur, und erst in zweiter Linie Geschäftsmann. In meiner Stellung, wie auch in Ihrer, ist es ziemlich leicht, sich aus seinem Kompetenzbereich hinausheben zu lassen.«
    Wie etwa zur Verkehrspolizei, meinen Sie? dachte Dalziel.
    Lächelnd erhob er sich.
    »Tja, danke für Ihre Hilfe, Sir. Eins aber noch. Anscheinend wußten Sie bereits von dem vermißten Mädchen – durch die Zeitung, und wo Sie doch Ihr Konzert umplanen müssen und alles. Und Sie wußten, daß Sie am Sonntagmorgen in der Nähe gewesen sind. Haben Sie nie daran gedacht, daß es nützlich sein könnte, uns mal anzurufen für den Fall, daß Ihr Fahrzeug geseh’n wurde und wir Zeit darauf verwenden, der Sache nachzugeh’n?«
    Wulfstan erhob sich. »Sie haben recht, Mr. Dalziel. Das hätte ich tun sollen. Aber da ich wußte, was Sie fragen würden, und auch, daß keine meiner Antworten Ihnen in irgendeiner Weise helfen könnte, hatte ich das Gefühl, daß ich damit nur meine und Ihre Zeit verschwende. Was nun geschehen ist, wie ich fürchte.«
    »Das würd ich nicht sagen, Sir. Das würd ich ganz und gar nicht sagen«, meinte Dalziel und streckte seine

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