Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
später unter Wasser kamen oder nicht – die Wasserbehörde wollte nix stehenlassen, was die Leute in Versuchung führen könnte, drin rumzuwühlen.
    Also wurden zur Vorbereitung für die Flutung vom Tal unsere Schule, das Pub, die Kirche, Häuser, Scheunen, Schuppen, einfach alles niedergewalzt. Der Damm war so gut wie fertig, die Bäche sprudelten, aus dem Neb sickerte das Wasser wie aus ’nem löchrigen Eimer, und der White Mare’s Tail bewegte sich wieder mit aller Kraft, so daß unser Seefast wieder seinen alten Pegelstand hatte. Oben am Black Moss-Sattel zwischen dem Neb und Beulah Height wurde der neue Bergsee immer weiter und tiefer und wartete darauf, ins Tal gelassen zu werden.
    All das schnappte ich auf, wie Kinder so was eben aufschnappen, indem sie bei den Erwachsenen rumhängen, Mund zu, Ohren offen. Es gab keine Chance, irgendwas davon selber zu sehen. Wie alle anderen, wurde auch ich davor gewarnt, in die Nähe von Dendale zu gehen. Einerseits war es so, daß unsere Mams und Dads immer noch Angst vor Benny Lightfoot oder dem Nix oder wem auch immer hatten, der die drei Mädchen geschnappt hatte. Andererseits glaube ich, sie wußten, wie sehr es ihnen weh tun würde, die alten Häuser niedergewalzt und überschwemmt zu sehen, sie dachten, das würde uns Kindern genauso gehen.
    Nur, was mich anging, irrten sie sich gewaltig. Mir gefiel es in Danby ganz gut, und ich hab mich schnell eingelebt. Und als im September die Schule wieder losging, stellte ich fest, daß Mr. Shimmings, der Lehrer mit der Augenklappe, gar keine Augenklappe mehr hatte. Er hatte sie bloß getragen, weil er sich bei einem Unfall ein Auge verletzt hatte und es zudecken mußte, bis es wieder gesund war. Und er hatte auch keinen zersplitterten Rohrstock, sondern bloß einen Gehstock, weil er humpelte, wegen demselben Unfall. Genau gesagt, war er richtig nett, und er und Miss Lavery verstanden sich gleich ganz gut.
    Ich hab ganz vergessen zu erzählen, daß Miss Lavery von der St. Michael’s Schule übernommen wurde, und obwohl ich nicht mehr in ihre Klasse ging, blieb sie immer stehen und redete mit mir, wenn wir uns mal begegneten.
    Immer wieder sah man Gesichter aus Dendale. Mr. Hardcastle arbeitete wie mein Vater auf Mr. Pontifex’ Land. Die Telford-Brüder hatten ihre Tischlerei in Danby neu eröffnet, wobei ich hörte, daß es hauptsächlich Madges Onkel war, der das Geschäft leitete, weil Joe (das ist ihr Vater) dazu nicht in der Lage war. Die Wulfstans waren wieder in die Stadt gezogen, verkauften da dann aber auch alles und zogen nach London. Von Tante Chloe hat nie wieder jemand was gesehen, aber Mr. Wulfstans Firma war hier oben, und er kam immer mal wieder her und man erzählte, daß er immer oben an den Bergen rumlief und hoffte, irgendeine Spur von Mary zu finden. Außerdem hieß es, daß seine Anwälte die Polizei verklagen, weil sie ihre Arbeit nicht richtig gemacht hat, aber es kam nix dabei raus.
    Was Benny Lightfoot angeht, der war spurlos verschwunden. Seine Oma machte ganz schön Radau, weil sie nicht aus dem Tal weg wollte, und verbarrikadierte sich in ihrer Hütte, als es soweit war. Sie gingen rauf, um in Ruhe mit ihr zu reden, aber sie war nirgends zu sehn, und da haben sie die Tür eingebrochen und gesehen, daß sie von der ganzen Aufregung einen Schlag bekommen hatte. Also kam sie ins Krankenhaus. Sie wäre wahrscheinlich in irgendeinem Heim gelandet, wenn nicht eine Nichte aus der Nähe von Sheffield aufgetaucht wäre, um sie bei sich aufzunehmen.
    All das kriegte ich so mit, aber es kümmerte mich nicht weiter. Dendale und die Hitze, und Jenny und Madge und Mary, die verschwunden waren, das alles schien Meilen und Jahre entfernt zu sein. Wir hatten ein Cottage ganz nah bei der Schule, am Ortsrand von Danby, und für einen Städter wäre das wohl das reinste Landleben gewesen, für mich war es nach Low Beulah wie mitten in der Stadt, mit neuen Leuten jeden Tag und neuen Straßen und Häusern.
    Ich glaube, der Wechsel tat meiner Mam anfangs auch gut. Sie kam mir viel lebhafter vor und fand ein paar neue Freundinnen und ging sogar hin und wieder mit ihnen aus. Meinem Dad ging’s eine Zeitlang auch besser. Er war so was wie Aufseher der Schafhirten für Mr. Pontifex, und ich hörte, wie Mam irgend jemandem erzählte, wenn er keinen Ärger macht und den Mund hält, würde er Stirps End bekommen, wenn der derzeitige Pächter in den Ruhestand geht, was an Mariä Verkündigung oder spätestens zum

Weitere Kostenlose Bücher