Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
bei seinen beiden Freunden befand.
    Je mehr sich die entsetzliche Dickhäuterschaar näherte, desto betäubender wurde der Höllenlärm, der von ihr ausging. Das Trompeten der mächtigen Rüsselthiere verdoppelte sich. Man fühlte ihren Athem schon wie einen Wind, der über die Erde strich. Bei der jetzigen Entfernung von vier-bis fünfhundert Schritten gewannen die Pachydermen im Dunkel der Nacht scheinbar eine unheimliche Größe. Man hätte von einer Apokalypse furchtbarer Ungeheuer reden können, deren Rüssel, gleich Tausenden von Schlangen, sinnlos durcheinander fuchtelten.
    Nun war es die höchste Zeit, in die Aeste der Tamarinden zu flüchten. Vielleicht stürmte die feindliche Horde vorbei, ohne den Portugiesen und seine Gefährten zu bemerken.
    Der Gipfel dieser Bäume ragte wohl um sechzig Fuß in die Luft empor. Sehr ähnlich den Nußbäumen, doch gekennzeichnet durch die regellose Verschlingung ihres Geästes, sind die Tamarinden, eine Dattelart, in verschiedenen Zonen Afrikas außerordentlich verbreitet. Außer daß die Neger aus dem schleimigen Theile ihrer Früchte ein erquickendes Getränk zu bereiten verstehen, pflegen sie die Schoten des Baumes dem Reis zuzusetzen, mit dem sie sich, vorzüglich in den Küstenländern, vorwiegend ernähren.
    Die Tamarinden hier standen so dicht bei einander, daß ihre tieferen Zweige sich untereinander verschlangen, so daß man von einem Baume zum andern gelangen konnte. Ihre Stämme hatten unten einen Umfang von sechs bis acht und am Anfange der Verästelung noch reichlich von vier bis fünf Fuß. Immerhin war damit noch nicht gesagt, daß sie hinreichend widerstandsfähig wären, wenn die Thiere den Hügel stürmten.
    Bis an die ersten Aeste hinauf, die sich etwa dreißig Fuß über dem Erdboden abzweigten, boten die Stämme nur eine ganz glatte Oberfläche. Bei der Dicke dieser Schäfte wäre es sehr schwierig gewesen, bis zu ihrer Gabelung hinauf zu gelangen, wenn Khamis nicht einige »Chamboks« zur Hand gehabt hätte. Das sind sehr geschmeidige lange Riemen aus Rhinozeroshaut, deren sich die Forelopers bedienen, die Ochsengespanne zu lenken.
    Mittels eines solchen Riemens, der über die Gabelung der Bäume hinweggeworfen wurde, konnten Urdax und Khamis eine der Tamarinden erklimmen Mit Hilfe eines zweiten Riemens gelang es Max Huber und John Cort in gleicher Weise. Sobald diese dann rittlings auf einem Aste saßen, warfen sie das freie Ende ihres Chambok dem jungen Llanga zu, den sie im Handumdrehen zu sich hinauszogen.
    Die Herde war jetzt nur noch höchstens dreihundert Meter weit entfernt; binnen zwei bis drei Minuten mußten sie den Hügel erreicht haben.
    »Na, lieber Freund, bist Du denn nun zufriedengestellt? fragte John Cort ironisch seinen Kameraden.
    – Bah, das ist noch immer weiter nichts, als etwas Unerwartetes, John.
    – Ja freilich, Max; etwas Außerordentliches würde es aber sein, wenn wir aus dieser Geschichte mit heiler Haut davonkämen.
    – Alles in allem hast Du recht, John. Besser wär’ es unbedingt, von diesem Ueberfalle durch Elefanten, die sich gewöhnlich recht brutal benehmen sollen, ganz verschont zu bleiben.
    – Nein, das ist unglaublich, lieber Max, daß wir einmal ein und derselben Ansicht sind!« begnügte sich John Cort zu antworten.
    Was Huber noch darauf erwiderte, konnte sein Freund nicht verstehen. Gerade jetzt ertönte nämlich ein furchtbares Gebrüll, dann hörte man Schmerzenslaute, bei denen auch die Muthigsten gebebt hätten.
    Als sie das Laubwerk auseinander bogen, sahen Urdax und Khamis, was etwa hundert Schritte vom Hügel vorging.
    Nachdem die Zugochsen sich losgerissen hatten, konnten sie nur noch nach dem Walde zu fliehen. Leider war kaum zu erwarten, daß die nicht gerade schnellfüßigen Thiere diesen erreichten, ehe sie überfallen wurden. Wirklich wurden sie auch bald zurückgedrängt, und obwohl sie sich mit Füßen und Hörnern verzweifelt wehrten, unterlagen sie doch sehr bald den grimmigen Feinden. Von dem ganzen Gespann blieb vorderhand nur ein Ochse übrig, der sich unglücklicherweise unter die Kronen der Tamarinden flüchtete.
    Ja, zum Unglück, denn die Elefanten verfolgten und umringten ihn, als hätten sie das verabredet. Nach wenigen Sekunden war der Wiederkäuer weiter nichts mehr, als ein formloser Haufen zerrissener Fleischtheile, zerbrochener Knochen und blutender Ueberreste, den die knorpelharten Füße der Dickhäuter noch weiter zerstampften.
    Nun war der ganze Hügel umringt und

Weitere Kostenlose Bücher