Das Dorf in den Lüften
zweitausendsiebenhundert Kilometern, ragt mit seinen ungeheueren, bis hundertfünfzig Fuß hohen Coniferen (Nadelhölzern) im mittleren Theile von Sibirien empor, und zwar vom Becken des Obi im Westen an bis zum Thale des Indighiska im Osten, einer Gegend, die vom Jenissei, vom Olamk und von der Lena und Yana bewässert wird.
Der vierte endlich reicht vom Congothale bis zu den Quellen des Nils und des Sambesi; er umfaßt eine fast unbegrenzte Fläche, wahrscheinlich eine größere, als einer der anderen Riesenwälder. Hier dehnt sich die ungeheuere, noch fast unbekannte Landmasse aus, der mittlere zu beiden Seiten des Aequators liegende Theil Afrikas, der im Norden des Congo und des Oguë wohl eine Million Quadratkilometer – zweimal die Oberfläche Frankreichs – einnimmt.
Wie früher erwähnt, hatte der Portugiese Urdax niemals beabsichtigt, durch diesen Wald zu ziehen, sondern er wollte ihn nach Westen zu, umgehen. Wie hätten auch der Wagen und das Ochsengespann inmitten dieses Labyrinths vorwärts kommen können! Eine Verlängerung ihres Marsches um einige Tage in den Kauf nehmend, sollte die Karawane an dessen Saume hin einem bequemen Wege folgen, der nach dem rechten Ufer des Ubanghi führte, von dem aus dann die Factoreien von Libreville ohne Schwierigkeit zu erreichen waren.
Jetzt hatte sich die Sachlage freilich geändert. Das Hinderniß eines zahlreichen Personals und eines umfänglichen Gepäcks war plötzlich weggefallen… jetzt war von keinem Wagen, keinem Ochsen, von keinem Lagermaterial mehr die Rede… nur drei Männer und ein Knabe – ein halbes Kind – waren noch übrig, und diesen fehlte es für die fünfhundert Lieues bis zur Küste des Atlantischen Oceans an jedem Transportmittel.
Was sollte nun geschehen? Sollten sie dem von Urdax vorgeschlagenen Wege nachgehen, oder etwa, wenn auch unter ungünstigen Verhältnissen, als Fußgänger versuchen, schräg durch den Wald zu dringen, wo Begegnungen mit Nomaden weniger zu fürchten waren und wodurch der Weg nach dem französischen Congogebiet nicht unbeträchtlich abgekürzt wurde?
Das war die nächstliegende wichtigste Frage, die am folgenden Morgen, wenn Max Huber und John Cort erwacht wären, erwogen und entschieden werden mußte.
Khamis hatte die langen Stunden über redlich Wacht gehalten. Kein Zwischenfall hatte die Ruhe der Schläfer gestört oder einen nächtlichen Ueberfall befürchten lassen. Wiederholt war der Foreloper, den Revolver in der Hand, ein Stück weit hineingegangen und hatte sich durch das Buschwerk geschlichen, sobald er in der Umgebung ein verdächtiges Geräusch vernahm. Immer war es nur das Abbrechen eines abgestorbenen Zweiges gewesen, der Flügelschlag eines großen Vogels, der sich in den Baumkronen bewegte, das Stapfen eines Wiederkäuers in der Nähe des Halteplatzes, oder es hatte von dem unbestimmbaren Waldesraunen hergerührt, wenn der Nachtwind das obere Laubdach bewegte.
Sobald die beiden Freunde die Augen aufschlugen, waren sie auch schon auf den Füßen.
»Wie steht es mit den Eingebornen? lautete John Cort’s erste Frage.
– Sie sind nicht wieder sichtbar geworden, erwiderte Khamis.
– Finden sich denn keine Spuren von ihrem Wegzuge?
– Das wäre wohl möglich, Herr Cort, wahrscheinlich näher am Rande…
– Wir wollen uns gleich davon überzeugen, Khamis.«
Alle drei, und mit ihnen Llanga, gingen nach der Seite der Ebene hin. Dreißig Schritte weiter fehlte es nicht an den vermutheten Merkzeichen: vielfache Fußabdrücke, am Fuße der Bäume niedergetretenes Gras, halb verbrannte harzige Zweige, Aschenhausen, worin noch immer einzelne Funken glitzerten, Dorngestrüpp, aus dem da und dort noch ein leichter Rauch aufwirbelte. Im übrigen aber fand sich kein menschliches Wesen unter den Bäumen oder an den Stellen, wo sich fünf bis sechs Stunden vorher die schwankenden Flammen gezeigt hatten.
»Davongezogen… sagte Max Huber.
– Oder sie haben sich wenigstens von hier entfernt, meinte Khamis, und ich glaube, wir haben hier nichts mehr zu befürchten…
– Na, wenn die Eingebornen sich auch entfernt haben, bemerkte John Cort, so sind die Elefanten wenigstens ihrem Beispiele nicht gefolgt.«
In der That tummelten sich die mächtigen Pachydermen noch immer in der Nähe des Waldes umher. Manche davon bemühten sich hartnäckig, die Bäume am Rande durch Anprallen daran umzustürzen. Was die Tamarindengruppe anging, konnten Khamis und seine Leidensgefährten erkennen, daß sie völlig
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