Das Dorf in den Lüften
verbundenen Baumstämmen…
– Halt, halt, bester Freund, unterbrach ihn John Cort, laß Dich nur von Deiner Phantasie nicht gleich auf dem Flusse dahintragen, den wir nur vermuthen…
– Herr Huber hat schon recht, erklärte Khamis. Weiter im Westen werden wir auf einen Wasserlauf treffen, der sich in den Ubanghi ergießen muß.
– Das mag ja sein, erwiderte John Cort, doch wir kennen sie schon, diese Art afrikanischer Flüsse, die meist nicht schiffbar sind.
– Du erblickst immer und überall nur Schwierigkeiten, lieber John…
– Besser, man erkennt solche zu früh, als zu spät, Freund Max!«
John Cort’s Erwiderung war ganz zutreffend. Die Ströme und Flüsse Afrikas bieten keinesweges dieselben Vortheile, wie so viele in Amerika, Asien und Europa. Man zählt an Hauptströmen vier: den Nil, den Sambesi, den Congo und den Niger. Diese werden von sehr vielen, ein dichtes Netz bildenden Nebenflüssen gespeist. Trotz dieser scheinbar günstigen Anordnung erleichtern sie die Züge ins Innere des Schwarzen Erdtheils doch nur in recht beschränktem Maße. Nach den Berichten aller Reisenden, die ihr Forschereiser durch diese grenzenlosen Gebiete geführt hat, lassen sich die afrikanischen Ströme mit dem Mississippi, dem St. Lorenzo, der Wolga, dem Irauaddy, dem Brahmaputra, dem Ganges und dem Indus keineswegs vergleichen. Ist ihr Stromlauf auch eben so lang, wie der der genannten, so ist ihr Wasserreichthum doch weit geringer, und schon in kurzer Entfernung von ihrer Mündung können sie nur noch Schiffe von sehr mäßigem Tonnengehalt tragen. Außerdem werden sie von Untiefen, von Stromschnellen und Fällen unterbrochen, die von einem Ufer bis zum anderen reichen, und an den Stromschnellen fließen sie oft so reißend dahin, daß kein Fahrzeug dagegen aufzukommen vermag. Hierin ist eine der Ursachen zu suchen, die größere Erfolge bezüglich der Erforschung des Innern von Afrika bisher vereitelt haben.
Khamis konnte nicht bestreiten, daß der Einwurf John Cort’s berechtigt sei. Alles in allem war er aber doch nicht gewichtig genug, den Vorschlag des Forelopers, der ja auf anderen Seiten greifbare Vortheile bot, etwa gar abzulehnen.
»Treffen wir auf einen Wasserlauf, meinte er, so fahren wir darauf hinunter, so weit das eben möglich ist. Lassen sich etwaige Hindernisse umgehen, so thun wir es. Anderenfalls nehmen wir unsere Wanderung wieder auf…
– O, ich habe gegen Ihren Vorschlag selbst auch gar nichts einzuwenden, Khamis, antwortete John Cort, ich denke vielmehr, es wird weitaus das beste sein, nach dem Ubanghi längs eines seiner Nebenflüsse oder vielmehr auf einem solchen zu gelangen, wenn das irgend ausführbar ist.«
Als die Behandlung der Frage bis zu diesem Punkte gekommen war ließen sich ihr nur noch zwei Worte anschließen:
»Vorwärts also!« rief Max Huber.
Seine Gefährten wiederholten alle den Aufruf.
Gerade Max Huber paßte der angenommene Plan ja vortrefflich, sich in den ungeheueren Wald zu begeben, den noch keiner durchmessen haben sollte oder der vielleicht gar undurchdringlich war. Vielleicht erlebte er dabei das ganz »Außerordentliche«, worauf er in den Gebieten des oberen Ubanghi vergeblich gehofft hatte.
Fünftes Capitel.
Der erste Marschtag.
Ein wenig über acht Uhr war es, als John Cort, Max Huber, Khamis und der Knabe die Richtung nach Südwesten einschlugen.
In welcher Entfernung mochte wohl der Fluß liegen, dem sie bis zu seiner Vereinigung mit dem Ubanghi zu folgen gedachten?… Keiner wußte es zu sagen. Und wenn es der war, der sich, nachdem er den Tamarindenhügel umkreist hatte, nach dem Walde zu wendete, bog dieser nicht vielleicht nach Osten zu ab, ohne den Wald zu durchströmen?… Wenn nun auch noch Hindernisse, Felsen oder Stromschnellen, sein Bett so weit sperrten, daß es unbefahrbar war, was dann?… Und andererseits: wenn diese unermeßliche Anhäufung von Bäumen keinen Pfad unter sich, keinen offenen, von Thieren durch das Dickicht gebrochenen Durchgang aufwies, wie sollten die Wanderer sich ohne Mithilfe des Eisens und des Feuers einen Weg bahnen?… Wie unsicher war es also, ob Khamis und seine Begleiter, selbst in den von großen Vierfüßlern besuchten Theilen, einen freien Erdboden, niedergetretenes Strauchwerk und schon zerrissene Lianen finden würden, so daß sie ohne zu großen Aufenthalt weiter vordringen könnten.
Llanga lief häufig, gleich einem schnellfüßigen Wiesel, weit voraus, obwohl John Cort ihn immer ermahnte, sich
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