Das Dorf in den Lüften
bringen.
Max Huber blieb jedoch nur drei oder vier Minuten aus. Er hatte nichts Verdächtiges bemerkt, nichts erlauscht, was auf die Gefahr eines unmittelbar drohenden Angriffs hingedeutet hätte.
»Dieser Theil des Waldes ist thatsächlich verlassen, erklärte er. Die Eingebornen haben ihn sicherlich geräumt.
– Vielleicht sind sie selbst entflohen, als sie die heranstürmenden Elefanten wahrgenommen hatten, bemerkte John Cort.
– Vielleicht, denn die Feuer, die wir, Herr Huber und ich, gesehen haben, sagte Khamis, verloschen in dem Augenblicke, wo im Norden das Getöse von der Dickhäuterherde zuerst erschallte. Wer weiß, ob sie es aus Klugheit oder nur aus Furcht gethan haben. Die Leute mußten doch wohl aus Erfahrung wissen, daß sie hinter den Bäumen in Sicherheit waren. Ich kann mir kaum erklären…
– Was überhaupt unerklärlich ist, fiel ihm Max Huber in’s Wort, und übrigens ist die Nacht auch nicht die rechte Zeit für langathmige Erklärungen. Wir wollen dazu den Tag abwarten, ich muß aber gestehen, daß es mich die größte Mühe kosten wird, wach zu bleiben… die Augen fallen mir jetzt schon von selbst zu.
– Es ist jedoch ein schlecht gewählter Augenblick zum Schlafen, lieber Max, hielt ihm John Cort entgegen.
– So schlecht wie möglich, lieber John, doch der Schlaf gehorcht nicht, er befiehlt. Gute Nacht also und auf morgen!«
In der nächsten Minute war Max Huber, der sich am Fuße eines Baumes ausgestreckt hatte, in tiefen Schlaf versunken.
»Leg Du Dich neben ihn, Llanga, sagte John Cort. Khamis und ich, wir werden schon bis zum Morgen wachen.
– Dazu bin ich allein genügend, Herr Cort, antwortete der Foreloper. Ich bin an so etwas gewöhnt, und empfehle Ihnen, es Ihrem Freunde gleichzuthun.«
Auf Khamis konnte man sich ja verlassen: er würde keine Minute unaufmerksam sein.
Llanga legte sich neben Max Huber nieder. John Cort wollte seiner Müdigkeit trotzen. Eine Viertelstunde unterhielt er sich noch mit dem Foreloper. Beide sprachen von dem unglücklichen Portugiesen, mit dem Khamis schon lange in Verbindung gestanden hatte, und dessen vortreffliche Eigenschaften auch im Laufe des letzten Zuges häufig genug hervorgetreten waren.
»Der Unglückliche, meinte Khamis, hatte den Kopf verloren, sobald er sich von den schurkischen, feigen Trägern verlassen und beraubt sah.
– Der arme Mann!« murmelte John Cort.
Das waren aber die letzten Worte, die er sprach. Von der Müdigkeit überwältigt, sank er auf das Gras nieder und schlief auch sofort ein.
Khamis wachte bis zum Tagesanbruch. Er allein hielt die Augen offen, lauschte gespannten Ohres auf das leiseste Geräusch, während er immer das Gewehr bei der Hand hatte. Sein Blick suchte die finstere Umgebung zu erkennen, zuweilen erhob sich der Mann, um da und dort sich zu überzeugen, wie es unter den Bäumen der nächsten Umgebung aussah, und immer blieb er bereit, seine Gefährten rasch zu wecken, wenn es nöthig werden sollte, sich zu vertheidigen.
Aus einzelnen Zügen hat der Leser bereits erkennen können, welcher Unterschied im Charakter der beiden Freunde, des Franzosen und des Amerikaners, herrschte.
John Cort war sehr ernster und praktischer Natur, was man ja gewöhnlich an den eingebornen Bewohnern Neuenglands beobachtet. Ein in Boston geborner Yankee, hatte er von einem solchen doch nur die rühmenswerthen Eigenschaften an sich. Mit Vorliebe beschäftigte er sich mit Fragen der Geographie und Anthropologie, und das Studium der verschiedenen Menschenrassen interessierte ihn im höchsten Grade. Mit diesen Vorzügen vereinigte er einen großen Muth und wäre für die, die er seine Freunde nannte, gewiß der äußersten Aufopferung fähig gewesen.
Max Huber, ein Pariser Kind, und ein solches noch immer auch in den fernen Ländern, wohin ihn der Zufall im Leben verschlagen hatte, stand an Kopf und Herz gegen John Cort nicht zurück. Er war dagegen weniger praktischen Sinnes, man hätte sagen können, er »lebte in Versen,« während John Cort »in der Prosa« lebte. Sein Temperament verlockte ihn zu den außergewöhnlichsten Dingen. Wie sich schon gezeigt hat, hätte er sich gern zu den bedauerlichsten Unbesonnenheiten verleiten lassen, sobald seine Phantasie ihm ein merkwürdiges Ziel vorgaukelte, wenn sein klug abwägender Begleiter ihn nicht davon zurückgehalten hätte. Seit der Abreise aus Libreville war dazu schon wiederholt Gelegenheit gewesen.
Libreville ist die Hauptstadt des französischen
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