Das Dorf in den Lüften
solche erbauen.
– Nein, Herr Huber hat sich nicht getäuscht, ließ sich Khamis vernehmen. Da unten steht… man könnte es fast eine Hütte nennen, die zwischen zwei Mimosen steht und an der Vorderseite ein Gitter hat.
– Käfig oder Hütte, rief John Cort, wir wollen uns überzeugen, was die Sache zu bedeuten hat!
– Doch vorsichtig, rieth der Foreloper, immer unter der Deckung der Bäume hingehen.
– O, was hätten wir denn hier zu fürchten?« erwiderte Max Huber, der sich wie gewöhnlich vor Neugier und Ungeduld nicht halten konnte.
Die Umgebung schien übrigens gänzlich öde und verlassen zu sein, nur der Gesang von Vögeln und das Geräusch von dem fliehenden Affenvolke ließ sich noch hören. Am Rande der Lichtung zeigte sich keine ältere oder jüngere Spur eines Lagers, und auf dem Wasserlaufe, der große Bündel Gras mit hinabführte, ebensowenig irgend etwas verdächtiges. Auch auf der anderen Seite dieselbe Stille und Verlassenheit. So wurden denn die letzten hundert Schritte schnell am Ufer hin zurückgelegt, das sich entsprechend der Windung des Flusses allmählich krümmte. Hier war es mit dem Morast zu Ende und der Boden wieder trockener und fester, je mehr er unter dem Hochwald anstieg.
Das seltsame, jetzt zu drei Vierteln sichtbare Bauwerk lehnte sich an zwei Mimosen und hatte ein schräg abfallendes, mit vergilbten Gräsern bedecktes Dach. Eine seitliche Oeffnung war daran nicht zu bemerken, und tiefhängende Lianen verbargen seine Wände fast bis zur Erde hinunter. Was ihm das Aussehen eines Käfigs verlieh, war das Gitter oder vielmehr die Vergitterung der ganzen Vorderseite, die der ähnelte, die man in Menagerien zur Trennung der Raubthiere vom Publicum sieht.
Dieses Gitter hatte eine, jetzt offenstehende Thür.
Der Käfig selbst war leer.
Das meldete Max Huber, der als der erste hineingedrungen war.
Doch fanden sich einige Geräthe: ein Kochtopf in ziemlich gutem Zustande, eine Art Flaschenkorb, eine Tasse, drei oder vier zerbrochene Flaschen, eine sehr abgenutzte Wollendecke, Stoffsetzen, eine verrostete Axt und ein halbvermodertes Brillenfutteral, auf dem aber kein Name eines Fabrikanten zu lesen war.
In einer Ecke lag noch ein kupferner Kasten, dessen Deckel so dicht schloß, daß sein Inhalt – wenn er überhaupt etwas enthielt – unversehrt erhalten sein mußte.
Max Huber hob den Behälter auf und versuchte, ihn zu öffnen. Das gelang ihm aber nicht. Durch Oxydation hingen die beiden Theile des Kastens ziemlich fest aneinander.
Er mußte erst eine in den Spalt gedrängte Messerklinge als Hebel benutzen, ehe der Deckel nachgab.
Der Kasten enthielt ein völlig unversehrtes Notizbuch, auf dessen Vorderseite zwei Worte gedruckt waren, die Max Huber mit lauter Stimme verkündete:
»Doctor Johausen«.
Achtes Capitel.
Der Doctor Johausen.
Wenn John Cort, Max Huber und selbst Khamis bei der Nennung dieses Namens keinen Ausruf der Verwunderung hören ließen, lag das nur daran, daß sie augenblicklich der Sprache beraubt waren.
Der Name Johausen hatte für sie die Bedeutung einer Offenbarung. Er enthüllte einen Theil des Geheimnisses, das eine der tollsten wissenschaftlichen Unternehmungen der neueren Zeit, in der sich die Komik mit dem Ernste, ja sogar mit der Tragik vermischte, bisher noch umgab, denn es ließ sich jetzt annehmen, daß diese ein sehr trauriges Ende genommen haben müsse.
Vielleicht erinnert sich der Leser des Versuches, den der Amerikaner Garner wagte, indem er die Sprache der Affen ergründen und seine Theorien durch ein Experiment bekräftigen wollte. Der Name dieses Professors, die in Hayser’s Weekly in New York von ihm erschienenen Aufsätze, sein Buch, das in England, Deutschland, Frankreich und Amerika herausgegeben worden war… alles das konnten die Bewohner des Congogebietes – vor allem John Cort und Max Huber – nicht wohl vergessen haben.
»Da haben wir ihn ja, rief der eine, ihn, von dem nie wieder eine Nachricht auftauchte…
– Und man auch nie eine erhalten wird, da er nicht zur Stelle ist, uns eine solche zu geben!« rief der andere.
Er, das war für den Franzosen wie für den Amerikaner der Doctor Johausen. Der Doctor hatte in dem genannten Garner freilich einen Vorläufer gehabt. Dieser Yankee konnte nicht, wie Jean Jacques Rousseau in der Einleitung zu seinen
Confessions
sagen: »Ich unternehme hier etwas, wofür es noch kein Beispiel giebt, und das auch keine Aachahmer haben wird.« Garner sollte einen solchen
Weitere Kostenlose Bücher