Das Dorf in der Marsch
meine Tour gefahren bin, habe ich oft seinen weiÃen Caddy gesehen, mit dem er auf Montage war. Ah, Michel ist bei Gerda und Heini, hab ich mir dann gedacht. Elektriker müsste man sein. Der arbeitet in der warmen Stube, während ich bei Wind und Regen drauÃen unterwegs bin.« Er schüttelte leicht den Kopf. »Nee, war nicht so gemeint. Ich mach meinen Job gerne.«
»Hat Witte Feinde?«, fragte Christoph.
Der Briefträger überlegte einen Moment. »Hinterm Deich sind die Menschen seit Jahrhunderten aufeinander angewiesen. Natürlich gibt es wie überall Animositäten. Neid, Nachbarschaftsstreit ⦠All das ist auch hier vorhanden. Aber so richtig Ãrger?« Er überlegte eine Weile und wiegte dabei den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Nur der Biesterfeldt, der zwei Häuser weiter wohnt, stiftet öfter Unruhe. Das ist ein komischer Knabe.«
»Dann sehen wir uns den Herrn an«, schlug GroÃe Jäger vor und stiegt in den Volvo.
»Eh«, protestierte Christoph. »Zwei Häuser.«
»Ja und? Du weiÃt selbst, dass auf Eiderstedt vieles weitläufig ist. Zwei Häuser, das sind gut zweihundert Meter. Und zurück müssen wir auch noch.«
Mit einem Lächeln stieg Christoph ein und startete den Motor. Es gab Dinge, da lohnte die Diskussion mit GroÃe Jäger nicht.
VIER
Sie fuhren die LandesstraÃe am Deich westwärts. Hinter dem Anwesen Wittes lag eine ausgedehnte Grünfläche, dann folgte ein älteres Haus, erneut säumte eine Wiese den StraÃenrand, bis sie einen etwas gröÃeren Hof fanden. Christoph lieà den entgegenkommenden Transporter eines Tiefkühl-Heimservices passieren und bog auf das Grundstück ab.
Hier wirkte im Unterschied zum Reimers-Hof alles unaufgeräumt. Die Betonplatten, mit denen der Hofplatz ausgelegt war, wiesen Risse auf, aus denen das Unkraut spross. An anderen Stellen war der Untergrund zersplittert. Am Rande stand ein schmutziger Traktor, dessen Motorhaube geöffnet war. Grassilage und Kuhdung waren festgefahren, ohne dass jemand den Versuch unternommen hatte, ihn zumindest grob zu reinigen. Ein verrostetes Fahrrad war achtlos in den Weg geworfen worden.
Auch das Wohnhaus hatte schon bessere Tage gesehen. Natürlich litt es unter dem Wechselspiel von Wind und Regen. Aber an den verwitterten Fensterrahmen, die seit Langem keine Farbe mehr gesehen hatten, zeigte sich die mangelnde Pflege ebenso wie an dem verwilderten Bauerngarten, in dem die früher sicher hübsch angelegten Blumenbeete einen verzweifelten Ãberlebenskampf mit den wuchernden Wildkräutern ausfochten.
»Wenn jetzt einer fröhlich um die Ecke biegt, kann der höchstens jovial, aber nicht aufgeräumt sein«, sagte GroÃe Jäger. »Das würde nicht zum Ambiente passen.«
In diesem Augenblick bog ein kleiner Mann um die Ecke. Er trug eine ölverschmierte Latzhose, unter der ein Wollpullover sichtbar wurde. Unter der Schirmmütze lugten kurz geschorene eisgraue Haare hervor.
Er sah den Volvo, machte ein paar Schritte auf den Wagen zu und fragte mit einer schnarrenden Stimme: »Haben Sie sich verfahren?« Dabei schwenkte er den Schraubenschlüssel, den er in der Hand hielt, Richtung StraÃe. »Da gehtâs raus.«
GroÃe Jäger stieg aus. »Nix verfahren. Da wo wir sind, ist es immer richtig. Sind Sie Herr Biesterfeldt?«
»Wer will das wissen?«
»Ich.«
Der Oberkommissar hatte den Landwirt sprachlos werden lassen. Biesterfeldt öffnete den Mund und suchte nach einer passenden Entgegnung. GroÃe Jäger ging auf ihn zu, griff in die GesäÃtasche seiner Jeans und holte seinen Dienstausweis hervor, dem anzusehen war, dass der Oberkommissar häufig sein stattliches Gewicht darauf hin- und herwälzte.
»GroÃe Jäger. Kripo Husum.« Er zeigte auf Christoph, der ebenfalls ausgestiegen war. »Mein Kollege. Hauptkommissar Johannes.«
»Ist mir gleich, ob Johannes, Matthäus, Markus, oder Lukas«, zeigte sich Biesterfeldt bibelfest, als er die Namen der vier Evangelisten aufzählte.
»Im Unterschied zu denen verkünden wir aber keine Heilsbotschaften«, konterte GroÃe Jäger. »Wir bringen in diesem Fall eher schlechte Nachrichten. Einer Ihrer Nachbarn ist betroffen.«
»Soll vorkommen.« Biesterfeldt zeigte sich davon nicht berührt.
»Es geht um einen möglichen Todesfall. Das ist
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