Das Dorf in der Marsch
zumindest nicht auszuschlieÃen.«
Jetzt wurde er doch hellhörig. »Mord?«
»Vorerst ist Fremdverschulden nicht auszuschlieÃen.«
Der Landwirt beugte sich vor. »Wen haben sie umgebracht?«
»Das wissen wir noch nicht. Manches deutet auf Michael Witte hin.«
»Der Michel? Donnerwetter. Endlich ist mal Leben in diesem Nest.«
»Es ist menschenverachtend, in dieser Weise über den möglichen Tod eines Menschen zu sprechen«, maÃregelte ihn GroÃe Jäger.
»Tränen bekomme ich nur, wenn mich im Frühjahr die Pollenallergie erfasst. Weià man schon, warum der Witte um die Ecke gebracht wurde?«
»Das wollen wir von Ihnen wissen. Deshalb sind wir hier.«
»Von mir?« Der Oberkommissar hatte Biesterfeldt verunsichert. »Aber wieso denn von mir?« Für einen Moment zuckten die Mundwinkel nervös. »Ihr seid doch verrückt«, schimpfte er dann. »Das soll doch nicht heiÃen, dass ich den Witte â¦Â« Verärgert winkte ab. »Das ist doch hirnrissig. Die meisten hier in Everschopkoog haben einen Sockenschuss. Aber da läuft doch kein Killer rum. Wenn es hier Ãrger gibt, dann haut man sich was auf die Birne. Aber umbringen ⦠Nee. Bestimmt nicht.«
»Das klingt so, als würde es zwischen einzelnen Bewohnern öfter handfeste Auseinandersetzungen geben«, mischte sich Christoph ein.
»So war das nicht gemeint«, wiegelte Biesterfeldt ab. »Aber gerade der Witte hat zugelangt.«
»Der hat sich geprügelt?«
»Das war einseitig. Michel Witte hat dem Franzosen eins auf die Zwölf gegeben, weil der seiner Frau an die Wäsche wollte.«
»Wer ist der Franzose?«, fragte Christoph nach.
»Bin ich ein Denunzant?«, wich Biesterfeldt aus.
»Denunziant«, korrigierte ihn GroÃe Jäger, doch der Landwirt reagierte nicht darauf.
»Wir möchten nur den Namen wissen.«
»Und was dort vorgefallen ist«, ergänzte der Oberkommissar Christophs Anmerkung.
»Ihr seid doch Schlaumeier. So viele Ausländer wohnen hier nicht.«
»Ausländer. Damit meinen Sie den Franzosen?«, fragte GroÃe Jäger.
»Hört ihr mir nicht zu?«
»Wovon leben die Leute hier?«, wechselte Christoph das Thema.
Biesterfeldt winkte ärgerlich ab. »Manche arbeiten hart, andere sind Schmarotzer.«
»Was verstehen Sie darunter?«
»Die legen sich auf die faule Haut und kassieren Sozialhilfe. Oder Rente«, schob er hinterher.
»In beiden Fällen sind es doch keine Schmarotzer. Rentner haben ihr Leben lang gearbeitet. Da ist es gerecht, wenn sie ihren Lebensabend aus der Rentenkasse finanziert bekommen.«
»Trotzdem«, behauptete Biesterfeldt, ohne es näher zu begründen.
»Sie machen es im Alter wie die Eskimos?«, mischte sich GroÃe Jäger ein.
Als Biesterfeldt ihn fragend ansah, erklärte der Oberkommissar: »Wenn die nicht mehr zum Lebensunterhalt beitragen konnten, haben die Alten sich auf eine Eisscholle gesetzt und forttreiben lassen.«
Biesterfeldt stach mit dem Finger in GroÃe Jägers Richtung. »Das ist eine gute Idee. Sollte man hier auch machen.«
»Dann bereiten Sie sich auf den Winter vor. Wenn der Heverstrom vorm Deich zufriert, setzen wir Sie auf eine Scholle und lassen Sie in die Nordsee treiben.«
Biesterfeldt musterte den Oberkommissar erstaunt. »Wieso denn ich?«
»Weil Sie ein alter Knochen sind.«
»Aber â ich bin doch nicht alt. AuÃerdem habe ich viel Geld in die Landwirtschaftliche Alterskasse eingezahlt.«
»Und die Arbeitnehmer in die Rentenversicherung.«
Hoffentlich fällt jetzt nicht das Stichwort »Beamtenpension«, dachte Christoph.
Aber Biesterfeldt blieb starrköpfig bei seinem »Das ist etwas anderes«. Begründen wollte er es nicht. Es war müÃig, diese Diskussion weiterzuführen.
»Gibt es auÃer Landwirtschaft noch andere Erwerbszweige in Everschopkoog?«, fragte Christoph.
»Die Bauern ernähren die ganze Sippe«, schimpfte Biesterfeldt.
»Handwerker? Andere Gewerbetreibende? Kaufleute? Gastronomie?«
»Gastronomie? Quatsch. Wir sind hier nur ein kleiner Haufen. Wer saufen will, tut das zu Hause. Oder geht nach Tetenbüll in den Kirchspielkrug. In Warmhörn gibtâs die Alte Schule. Ist aber nix zum Saufen. Und dann haben wir die StraÃe Richtung Westen runter am Siel die Spieskommer.
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