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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Rosa, daneben strahlten die Dahlien fast schon etwas Erhabenes aus. Der Garten war mit Liebe angelegt. Dafür sprachen auch die Herbstanemonen und die rosafarbenen Büschel des Heidekrauts.
    Große Jäger stieß Christoph an.
    Â»Weiße Chrysanthemen. Die Blumen des Todes.«
    Â»Nicht so grob«, erwiderte Christoph.
    Â»Ist es nicht die Blume, die man bei Kondolenzbesuchen mitbringt?«
    Â»Daran hat wohl niemand gedacht. Sieh dir lieber die Hagebutten an.« Der Garten war von einer dicht gewachsenen Hecke stacheliger Rosen eingefriedet, an der jetzt leuchtend rote Hagebutten hingen.
    Vor dem Haus stand ein älterer Golf.
    Â»Die Frau ist zu Hause«, sagte Große Jäger und wies auf das Kennzeichen. » NF - GW .«
    Â»Und ihr Mann auch?« Christoph kleidete seine Feststellung in eine Frage, als er auf einen weißen VW -Caddy zeigte, an dessen Seite die Aufschrift »Elektro – Witte – Everschopkoog« prangte. Darunter stand »Michael Witte – Meisterbetrieb«. Das Fahrzeug stand vor einer umgebauten Garage, an der statt des Tores eine Tür eingelassen war. Daneben war ein Schild »Werkstatt« angeschraubt.
    Â»Das scheint ein kleiner Familienbetrieb zu sein«, vermutete Christoph.
    Sie klingelten an der Haustür mit dem angelaufenen Messingschild »Witte«. Nichts rührte sich. Auch der zweite Versuch blieb erfolglos.
    Â»Merkwürdig«, sagte Große Jäger. »Hier ist niemand zu Fuß unterwegs. Dafür ist alles zu weitläufig.«
    Christoph warf dem Oberkommissar einen spöttischen Blick zu.
    Â»Mancher geht trotzdem zu Fuß zum Nachbarn. Oder benutzt das Fahrrad.«
    Â»Wozu hat der Mensch sein ganzes geistiges Potenzial genutzt, um Hilfsmittel für eine bessere Mobilität zu entwickeln? Wie willst du den Menschen in der Dritten Welt klarmachen, dass deutsche Autos technisch das Beste schlechthin sind, wenn die Einheimischen zu Fuß gehen?«
    Christoph lächelte. »Das ist ein merkwürdiges Marketing. Mich würde interessieren, ob unser Wirtschaftsminister bei Staatsbesuchen auch so argumentiert.«
    Sie umrundeten das Haus und fanden auf der Rückseite eine kleine, gemütlich angelegte Terrasse. Zum Westen hin war sie durch eine kombinierte Holz-Glaswand windgeschützt. An der Hauswand stand eine Bank mit einer Stoffauflage. Der Gartentisch und die drei Stühle passten dazu. Große Jäger zeigte auf einen Topf mit geschälten Kartoffeln, daneben lag ein Messer. Ein wenig abseits lagen auf einem Küchentuch noch ein paar ungeschälte Exemplare. Der Oberkommissar fasste mit dem Handrücken an den Rand der halb gefüllten Kaffeetasse.
    Â»Lauwarm«, erklärte er.
    Die Küchentür war angelehnt. Christoph klopfte gegen das Holz.
    Â»Hallo«, rief er. »Frau Witte?«
    Alles blieb ruhig. Niemand antwortete. Er versuchte es ein zweites Mal. Erfolglos. Vorsichtig stieß er die Tür auf und sah in den engen Flur, der mit Garten- und Hausgeräten vollgestellt war. Besen, Schrubber, Staubsauger, Harke – all das lehnte an der Wand. Ein Schuhregal war überladen. Drum herum standen weitere Paare – Herren- und Damenschuhe, Gummistiefel, Laufschuhe, Holzclogs.
    Hinter einer nur angelehnten Tür drang ein leises Wimmern hervor. Christoph klopfte gegen das Holz. Keine Reaktion. Vorsichtig öffnete er die Tür ein wenig und sah eine Frau, die in der Küche an einem kleinen Tisch saß und die Ellenbogen auf die Platte gestützt hatte. Ihr Gesicht hatte sie in den Handflächen verborgen. Jetzt war das Schluchzen deutlich zu vernehmen. Neben ihr auf dem Tisch lag das Mobilteil eines Telefons.
    Â»Frau Witte?«, fragte Christoph leise. Sie rührte sich nicht. Er trat an sie heran und legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. »Frau Witte«, wiederholte er. »Wir haben geklopft, aber keine Antwort erhalten. Entschuldigen Sie unser Eintreten.«
    Die Frau erschrak nicht. Das zeigte Christoph, dass sie die beiden Polizisten und das Klingeln und Klopfen gehört haben musste.
    Â»Wir sind von der Husumer Polizei und haben ein paar Fragen an Sie«, sagte Christoph.
    Bei diesen Worten ging ein Beben durch den Körper der hageren Frau. Ein Schüttelfrost erfasste sie. Sie vergrub den Kopf mit den kurzen Haaren noch tiefer in die Handflächen.
    Â»Können wir Ihnen helfen?«, fragte Christoph.
    Die Frau weinte

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