Das Dorf in der Marsch
Da kommen hauptsächlich Fremde hin.«
»Fremde?«, hakte Christoph nach.
»Na ja. Keine Everschopkooger.«
»Sie scheinen anderen Menschen gegenüber nicht sehr offen zu sein.«
»Wenn jeder bleibt, wo er hingehört, gibt es keinen Streit.«
»So?« GroÃe Jäger zog die Nase hoch. »Wo kaufen Sie ein?«
»Wo wohl? Husum. Manchmal auch in Witzwort. Den Alltagskram gibt es in Garding.«
»Das ist eine ganze Ecke entfernt. Sind alle Einwohner des Dorfes so mobil, dass sie die zehn Kilometer �«
»Dreizehn«, korrigierte ihn Biesterfeldt.
»Von mir aus. Dass sie die dreizehn Kilometer zurücklegen können?«, ergänzte Christoph seine Frage.
»Ist das mein Problem? Ich habe denen nicht gesagt, dass sie hierherziehen sollen.«
»Wie war das nun?«, erinnerte Christoph den Landwirt an die ursprüngliche Frage. »Gibt es hier nur Landwirte und Rentner?«
»Der Witte, ich mein ⦠die Leiche.«
»Sie sprechen vom mutmaÃlichen Mordopfer«, unterbrach ihn Christoph.
»Sag ich doch. Also ⦠Der war Elektriker.« Biesterfeldt grinste breit. »Der hatte ânen Kurzen in der Hose.« Der Mann lieà ein dröhnendes Lachen über seinen Witz folgen. »Lustig, was?«
Christoph schüttelte nur den Kopf.
GroÃe Jäger hob die Hand an das Kinn und lieà sie nach unten fallen.
»Dieser fade Spruch ist so alt wie Rübezahl.«
Biesterfeldt sah die beiden Polizisten an.
»Humorlose Beamte«, knurrte er. »Das passt zu Klecksel.«
»Ein Maler und Lackierer?«, riet Christoph.
»Ein Schmierer. Der klatscht Farbe auf eine Leinwand und behauptet, das wäre Kunst. Das macht er mit einer Spritzpistole. Oder er kippt das Zeug so auf den Untergrund und schüttelt die Leinwand, bis die Farbe verläuft. Das nennt er dann Kunst.« Biesterfeldt vollführte eine Wischbewegung vor der Stirn. »Die Leute sind nicht mehr ganz dicht. Ich meine die, die dafür Geld ausgeben. Na ja. Wie soll er sonst die Bilder beschmieren.« Er kicherte. »Seinen Pinsel braucht er für andere Zwecke.«
Christoph räusperte sich.
»Herr Biesterfeldt! Können wir seriös miteinander sprechen?«
»Hören Sie mir nicht zu? Der Klecksel jagt doch hinter jedem Weiberrock her. Und nur weil der angeblich Künstler ist, lassen die Frauen das zu. Die juchzen noch, wenn er ihnen an die Brust geht.«
»Sie meinen, der Kunstmaler ⦠Wie heiÃt er und wo wohnt er?«, fragte Christoph.
»Hat soân Schickimicki-Namen. Irgendetwas Französisches.«
»Das also ist der Franzose, dessen Namen Sie uns vorhin vorenthalten wollten«, fiel Christoph ihm ins Wort.
»Am Ende vom Dorf. Letztes Haus, war mal ein kleiner Hof. Der lag eine Weile brach, weil die Kinder, nachdem die alten Berndsens aufgegeben hatten, lieber was anderes machen wollten als arbeiten, ich meine, so richtig auf dem Hof. Nachdem die alte Berndsen abgenippelt war, ihren Bernd hatte sie schon vorher umgebracht, haben die beiden Kinder den Hof verkloppt. Jetzt hockt da der Schmierfink seit ein paar Jahren. Und das Land, das dazugehörte, haben die Kinder verpachtet.«
»An Sie?«
»An mich?« Biesterfeldt tippte sich gegen die Stirn. »Sie haben wirklich keine Ahnung. Die Pachtpreise sind ins Unermessliche gestiegen. Da kann einer wie ich nicht mithalten.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Hier in der Gegend mischt einer aus Marschenbüll alles auf.«
»Wer?«, fragten Christoph und GroÃe Jäger gleichzeitig.
»Ein Emporkömmling. Ist nach dem Krieg aus dem Osten gekommen und hat sich mit Wiedergutmachung vollgesogen. Damit und mit krummen Geschäften hat er Geld gescheffelt. Seit ein paar Jahren sitzt der Arsch auch noch als Abgeordneter im Landtag. Ich möchte gern wissen, welche Idioten den gewählt haben. Wenn es nach mir ginge, hätte nicht jeder Penner das Wahlrecht.«
»Sie meinen Hermann von Dirschau?«, riet Christoph.
Biesterfeldt nickte. »Genau. Dieses Arschloch.«
Das war vor neun Jahren Christophs erster Fall in Husum gewesen. Von Dirschaus Sohn Ralf hatte Anne Dahl und ihre Tochter Lisa mit einem Golfschläger erschlagen, weil sie seine sexuelle Nötigung zurückgewiesen hatte. Hermann von Dirschau und sein Sohn hatten im Dorf die Stimmung gegen Frieder Brehm angefacht, einen verurteilten
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