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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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lächelte.
    Â»Sie meinen den alten Kunstmaler? Das dürfen Sie nicht ernst nehmen. Mich hat er auch angebaggert. Der kann nicht anders. Das ist ein conditioned stimulus , also ein ursprünglich neutraler Reiz, der eine gelernte oder bedingte Reaktion bewirkt. Sie kennen es vielleicht als Pawlow’schen Reflex. Natürlich habe ich von den aufgebauschten Gerüchten gehört, die durchs Dorf geistern. Witte hat das wohl überbewertet. Der Elektriker ist ein Dummkopf. Der hat vieles nicht verstanden. Wie oft hat Reimer ihm zu erklären versucht, dass die Zukunft in den neuen Technologien liegt. Schleswig-Holstein hat nach dem Krieg die Zukunft verschlafen. Jetzt gilt es, Nischen zu entdecken und zu nutzen. Tourismus und Energiewirtschaft sind unsere Aktivposten. Wir können hier keine Groß- oder Schwerindustrie aus dem Boden stampfen. Man hat zu lange auf die Werften gesetzt und nicht mitbekommen, dass die Asiaten es besser können. Wie oft hat Reimer Witte klarzumachen versucht, dass wir Windenergieanlagen aufstellen müssen, um Strom zu produzieren und damit Deutschland und Europa zu beliefern. Dagegen wehren sich nicht nur die Bayern, die sich ihre ganze Infrastruktur von den anderen Bundesländern haben bezahlen lassen und jetzt jede Entwicklung in anderen Teilen der Republik argwöhnisch beobachten und zu boykottieren suchen. Das war für Witte zu hoch. Der verstand nichts von der modernen Technik. Für den endete der Gedanke an Strom am Hausanschluss. Energie bedeutete für Witte, ein paar Strippen an das Netz anzuschließen.« Sie sah sich um. »Da kommt Reimer. Fragen Sie ihn doch selbst.«
    Reimer Reimers war in Begleitung eines blonden Mannes erschienen, der eine lederne Aktenmappe unterm Arm hielt. Er war mit einem Anzug bekleidet, trug das unifarbene Hemd aber offen und ohne Krawatte. Reimers umfasste Karen Brunkes Taille, zog sie zu sich heran und gab ihr einen Kuss auf den Mund.
    Â»Tag, mein Schatz«, sagte er, während sein Begleiter es bei einem kurzen Nicken als Begrüßung beließ.
    Karen Brunke wiederholte in wenigen Worten ihre Ausführungen.
    Â»Stimmt«, sagte der Bauer knapp. Dann zeigte er auf den Mann an seiner Seite. »Das ist Rechtsanwalt Sobbe-Lenkering aus St. Peter-Ording, den ich um Rat gebeten habe. Er wird von mir immer konsultiert, wenn ich rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen muss.«
    Â»Guten Tag«, sagte der Anwalt förmlich und unterließ es, das landestypische »Moin« zu verwenden.
    Die beiden Beamten erwiderten mit einem »Moin«.
    Christoph kannte den Anwalt, der ihm gelegentlich in anderen Fällen begegnet war. Er hatte ihn stets als Vertreter der Interessen seines Mandanten kennengelernt, der darüber aber nie den Blick für die objektive Einschätzung der Gesamtsituation verlor.
    Â»Gibt es einen Grund, weshalb Sie anwaltlichen Beistand in Anspruch nehmen?«, fragte Große Jäger spitz.
    Auch Sobbe-Lenkering hatte den aggressiv klingenden Unterton mitbekommen.
    Â»Können Sie mir die Ausgangslage erläutern?«, bat er. »Mein Mandant fragt zu Recht, ob die nicht unerhebliche Störung im Betriebsablauf notwendig ist.«
    Christoph berichtete vom Fund des Fingers und ließ nicht unerwähnt, dass die Initiative zum Einschalten der Polizei von Reimer Reimers ausgegangen war.
    Â»Das war sehr umsichtig und verantwortungsbewusst«, lobte er den Landwirt. »Zurzeit ist die Sachlage unübersichtlich. Natürlich müssen wir dem Verdacht nachgehen, ob sich im Fermenter noch mehr menschliche Überreste befinden.«
    Rechtsanwalt Sobbe-Lenkering nickte versonnen.
    Â»Das ist einleuchtend«, sagte er.
    Â»Ja, aber …«, wollte Reimers aufbegehren.
    Der Anwalt wandte sich an seinen Mandanten.
    Â»In einem solchen Verdachtsfall muss die Staatsanwaltschaft ermitteln. Dazu ist sie verpflichtet. Hierzu bedient sie sich der Polizei als ausführendes Organ. Der Hauptkommissar erfüllt nur seine Pflicht. Sicher können Sie die Aktivitäten auf Ihrem Grund und Boden untersagen. Im Zuge der Beweissicherung wird die Anlage aber erst einmal stillgelegt. Theoretisch könnten Sie ja der Täter sein.«
    Â»Ich?«, begehrte Reimers auf. »Das ist nicht Ihr Ernst?«
    Â»Ich erläutere hier nur theoretische Möglichkeiten. Niemand will Ihnen etwas unterstellen. Bei der derzeitigen Sachlage wird die Staatsanwaltschaft einen

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