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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Das habe ich nicht behauptet. Aber die haben eine Lobby, davon können andere nur träumen. Wenn unsere Energiekosten ins Unermessliche steigen, haben wir es den Bauern zu verdanken. So einem wie Reimers.«
    Â»Das müssen Sie mir erklären«, bat Christoph.
    Â»Das sehen Sie doch selbst. Auf jeden Quadratzentimeter Dachfläche installieren die Solaranlagen. Auf jedem Hof ist eine Biogasanlage errichtet, und wenn es nach den Bauern geht, wird die Landschaft mit Windrädern vollgestellt.«
    Â»Wir können die politische Grundsatzentscheidung der Energiewende hier nicht diskutieren«, entschied Christoph.
    Mit seiner Körpersprache gab Wychzek zu verstehen, welche Haltung er zu diesem Thema einnahm.
    Â»Man darf doch seine Meinung dazu äußern, oder? Schließlich bezahlen wir das. Und nicht nur mit Geld. Die wollen uns diese Windspargel auch noch vor die Tür stellen. Meinen Sie, wir haben hier investiert, um Tag und Nacht diese Brummkreisel vor Augen zu haben? Das ist doch keine Zierde für die Landschaft.«
    Dem Mann war anzusehen, dass ihn das Thema berührte. Er unterstrich jedes seiner Worte mit wilden Handbewegungen.
    Â»Und deshalb gibt es einen Riss in der Dorfgemeinschaft?«
    Â»Es gibt unterschiedliche Meinungen. Reimers ist der emsigste Verfechter der sogenannten Energiewende. Der macht jeden Mist mit, der auf diesem Gebiet kreiert wird. Wenn es nach ihm ginge, würden sich überall Windräder drehen.«
    Â»Und Biesterfeldt?«
    Â»Das ist ein knurriger Typ. Klar, dass der im Kielwasser von Reimers mitschwimmt.«
    Â»Gibt es auch Gegner?«
    Bärbel Lattmann hob wieder den Zeigefinger und meldete sich.
    Â»Günter hat es den Leuten auf der Einwohnerversammlung zu erklären versucht. Die haben gar nicht zugehört.«
    Â»Nicht verstanden«, bekräftigte Wychzek.
    Â»Deshalb wollten Sie Bürgermeister werden?«, hakte Christoph nach.
    Â»Die Bauern haben andere Interessen. Viele von den Nichtlandwirten begreifen das nicht. Die glauben, mit einer Beteiligung am Bürgerwindpark könnten sie den großen Reibach machen. Dabei werden sie doch nur ausgenutzt. Reimers verdient, weil es sein Land ist. Aber die Investoren wohnen nicht in Everschopkoog, sondern woanders.«
    Â»Wo?«, fragte Christoph.
    Wychzek war es nicht recht, dass Bärbel Lattmann vorpreschte. »Von Dirschau. Das ist ein Großbauer aus Marschenbüll.«
    Wieder tauchte der Name des umtriebigen Mannes auf. Von Dirschau hatte inzwischen offenbar noch mehr an Einfluss gewonnen. Er war Landtagsabgeordneter und kannte die informellen Quellen in Kiel. Natürlich konnte er dort auch seine eigenen Interessen verfolgen.
    Â»Welche Haltung hat Witte als Bürgermeister eingenommen?«
    Wychzek war aufgestanden und hatte den Raum verlassen. Sie hörten ihn in der Küche rumoren. Als er zurückkehrte, trug er eine Flasche Korn und ein Glas in der Hand.
    Â»Das ist mir jetzt auf den Magen geschlagen«, sagte er und schenkte sich ein Glas voll ein, das er in einem Zug leerte. »Witte«, sagte er dann gedehnt, als würde er den Namen auf der Zunge zergehen lassen. »Von dem hatte ich mehr Einsatz gegen die Pläne erwartet.«
    Â»Der Bürgermeister ist ein Befürworter des Ausbaus an Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie?«
    Â»Das habe ich nie verstanden. Er besitzt weder Land, noch profitiert er von noch mehr Windmühlen oder Solardächern. Und an seinem Elektrobetrieb läuft das auch vorbei. Das ist nicht seine Welt.«
    Â»Kann es sein, dass Witte, ohne eigene Interessen zu verfolgen, als Bürgermeister dabei an das Wohl der Gemeinde gedacht hat?«
    Wychzek sah Christoph an, als hätte der soeben vorgeschlagen, einen gesetzlichen Feiertag anlässlich der Befreiung von Rotkäppchen und ihrer Großmutter einzurichten.
    Â»Gibt es so etwas noch, dass Menschen aus purem Idealismus handeln?«
    Â»Mehr als Sie sich vorstellen können«, erklärte Christoph. »Denken Sie an die ganzen ehrenamtlich Tätigen, ohne die kein Sportverein funktionieren würde, das kulturelle Leben vor Ort würde eine Brache werden, und auch auf vielen anderen Gebieten sähe es trostlos aus.«
    Â»Und kaum jemand dankt den Frauen und Männern, die sich in der Freiwilligen Feuerwehr, der Kirche oder dem politischen Gemeinderat den Arsch für ihre Mitbürger aufreißen«, ergänzte Große Jäger

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