Das Dorf in der Marsch
mit einem Ring, der wie ihrer aussah. War das nicht richtig?«
»Frau Witte hat das anders aufgefasst. Sie haben ihr erzählt, dass Michael Witte in Ihrem Fermenter zerhackt wurde.«
Christoph sah, wie der Schreck in Mariechen Reimersâ Glieder fuhr.
»Das stimmt nicht. Das habe ich nicht gesagt. Die lügt. Das macht sie in letzter Zeit öfter. Sie schleicht sich heimlich zu Klecksel â¦Â«
»Zu Gaultier«, warf Christoph ein.
»Sag ich doch.« Mariechen Reimers zog sich mit dem Zeigefinger das untere Augenlid herab. »Glaubt die, wir sind blind und das kriegt keiner mit? Hier bleibt doch nichts verborgen.«
»Was haben Sie sonst noch beobachtet?«, fragte GroÃe Jäger.
Mariechen Reimers rückte ein wenig näher heran. Dann sah sie sich um, ob jemand Unbefugtes mithören konnte.
»Der Maler hat ihr doch den Hof gemacht. Wenn die Kinder in der Schule waren und Michel auf Montage, dann ist sie oft zu Gaultier gehuscht. Was hat die da gemacht, häh? Ihm Kuchen und Wein gebracht wie das Rotkäppchen seiner GroÃmutter? Das glauben Sie doch selbst nicht.« Sie sprach noch leiser. »Die war scharf auf den alten Bock.«
»Hat der Ehemann das erfahren?«
Mariechen Reimers streckte die Arme vor in Abwehrhaltung. »Nicht von mir«, behauptete sie.
»Aber Sie haben Ihre Beobachtungen weitergegeben?«
Nun streckte sie den Busen vor. »Sie wollen doch nicht behaupten, ich würde tratschen? Ich habe mit der Matuschka darüber gesprochen und gefragt, ob die auch etwas gesehen hat. Und die Freundin von Wychzek ⦠wie heiÃt die noch gleich ⦠Bärbel. Aber die hat merkwürdig reagiert. Zunächst wollte sie alles genau wissen, hat nachgefragt, was ich gesehen hätte, wann und wie oft die Witte zu Gaultier rüber ist und wie lange.« Sie kicherte. »Die wollte wohl selbst an den Gaultier ran. Dabei versteh ich das gar nicht.« Sie fuhr sich mit ihren Händen über die ausladenden Hüften. »Mein Fall wäre der alte Knabe nicht.«
»Und das hat Michel Witte mitbekommen?«
»Finden Sie das richtig, dass der gutgläubige Ehemann gehörnt durchs Dorf läuft und hinter seinem Rücken getratscht wird? Das muss die Witte doch selbst ausbaden, was sie sich da eingebrockt hat.«
»Und daraufhin ist Witte zu Gaultier und hat ihn zur Rede gestellt?«
Sie lachte leise. »Der hat ihm ordentlich eine gescheuert und gesagt, Klecksel soll die Finger von seiner Frau lassen. Sonst würde er ihm an den Kragen gehen.«
»Das klingt wie eine massive Drohung.«
»Ist doch richtig.« Aus Mariechen Reimers sprach das »gesunde Volksempfinden«.
»Hallo«, war die Stimme einer jungen Frau zu vernehmen, die auf sie zusteuerte.
Sie war schlank, hatte lange blonde Haare, die bis zu den Schulterblättern reichten und unter dem T-Shirt zeichnete sich eine attraktive sportliche Figur ab. Sie hatte ein hübsches ebenmäÃiges Gesicht. Sie gab zuerst Christoph, dann GroÃe Jäger die Hand.
»Ich bin Karen Brunke, die Mutter von Yannick.«
»Das ist die Freundin von meinem Sohn«, erklärte Mariechen Reimers überflüssigerweise. »Ich würde es gern sehen, wenn die beiden heiraten würden. Dann hätte alles seine Ordnung.«
Niemand ging darauf ein.
»Als ich aus der Schule kam, hörte ich von dem, was hier vorgefallen ist«, sagte sie. »Das ist schlimm. Es erscheint so unwirklich.« Sie strich sich die Haare von der Wange, die aber sofort wieder dahin zurückfielen.
»Noch gibt es keine gesicherten Erkenntnisse auÃer dem Fund.«
»Ziehen Sie daraus Rückschlüsse? SchlieÃlich ist es hier passiert â auf unserem Hof.«
»Reimers Hof!«, fuhr Mariechen dazwischen. »Reimer Reimers.« Sie sah Christoph an. »Wir haben unserem Sohn den Hof überschrieben. Tüchtig, der Junge. Was der alles macht? Da blicke ich schon lange nicht mehr durch, obwohl ich auch von einem Bauernhof stamme.«
Christoph musterte noch einmal die attraktive junge Frau.
»Wir sprachen mit Frau Reimers gerade über gewisse Vorfälle, von denen vornehmlich Frauen betroffen waren. Offensichtlich gibt es einen Mitbewohner, der sich sehr für die weibliche Bevölkerung interessiert«, formulierte Christoph bewusst neutral.
Karen Brunke strich sich erneut die Haare von der Wange. Vergeblich. Sie
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