Das Dorf in der Marsch
Wortführer wedelte heftig mit der Hand vor GroÃe Jägers Gesicht herum.
»Artist. Poet«, radebrechte der Mann.
GroÃe Jäger nickte. »Ich komme mir hier wie im Zirkus vor.«
»Artist. Poet. Faust.«
Jetzt hatte Christoph es verstanden. Auch GroÃe Jäger schien es begriffen zu haben.
Gofi â Goethe. Die Japaner hatten den Namen des Dichterfürsten englisch ausgesprochen.
»Nix Gofi. Hier Husum. Gofi wohnte in Weimar«, erklärte er auf Englisch und ergänzte auf Deutsch: »Er ist allerdings genauso viel in Europa unterwegs gewesen wie ihr. Er hat nur ein wenig länger benötigt und den alten Kontinent nicht in vierundzwanzig Stunden bereist.«
Der Anführer der Reisegruppe machte eine Handbewegung in der Luft, als würde er schreiben.
»Gofi. House. Museum.«
Der Oberkommissar hob beide Hände in die Höhe.
»In Husum war Goethe nie. Wir haben einen anderen Dichter. Der ist fast genauso berühmt. Storm.«
»Thunderstorm?«, fragte sein Gegenüber.
GroÃe Jäger seufzte.
»Kein Gewitter.« Das sagte er auf Deutsch, um auf Englisch fortzusetzen: »Hier in Husum lebte ein anderer berühmter Dichter. Tetje Wind. Nix Goethe.«
»Ah«, strahlten die Gäste aus Fernost im Chor. »Tetsche Wind.«
GroÃe Jäger nickte, führte die Leute an einen Stadtplan und erklärte ihnen den Weg am Binnenhafen entlang zur Wasserreihe, in der das ehemalige Wohnhaus des Dichters heute als Museum diente.
Alle sechs verbeugten sich, gaben GroÃe Jäger nacheinander die Hand und verlieÃen zufrieden das Polizeigebäude. Aus dem in ihrer Muttersprache geführten Geschnatter waren nur die Wortfetzen »Tetje Wind« verständlich.
Christoph wollte GroÃe Jäger gerade Vorhaltungen machen, als der ihn angrinste und sagte: »Wie bei den Pfadfindern. Jeden Tag eine gute Tat.«
Konnte man dagegen argumentieren?, dachte Christoph und stieg die Treppe zu ihren Büroräumen empor.
Sie wurden von Hilke Hauck empfangen.
»Gut, dass ihr da seid. Es gibt Neuigkeiten.« Die Kommissarin lief neben den beiden Beamten her und setzte sich zu Christoph an den Schreibtisch, als die drei das Büro erreichten.
»Michael Witte«, begann sie, »war gestern in Kiel im Innenministerium verabredet. Dort ist er aber nicht aufgetaucht.«
»Mit Frau Karlsson«, mischte sich GroÃe Jäger ein.
Hilke Hauck zeigte sich nicht begeistert.
»Bin ich die Blöde?«, fragte sie erbost. »Warum mache ich mir die Mühe, wenn ihr es selbst herausgefunden habt. Ich kann mich auch mit anderen Aufgaben beschäftigen.«
»Manchmal überschneiden sich die Ermittlungen«, versuchte Christoph sie zu trösten. »Aber die zeigten sich zugeknöpft im Ministerium und haben jede Auskunft verweigert.«
»Sooo?« Hilke Hauck spitzte die Lippen. Wenn sie lächelte, zeigten sich zwei reizende Grübchen auf ihren Wangen.
»Die Kieler wollen erst Auskunft erteilen, wenn ein förmliches Amtshilfeersuchen vorliegt«, sagte Christoph.
»Schriftlich?«, fragte die Kommissarin nach.
»Förmlich!« GroÃe Jäger schloss Daumen und Zeigefinger zu einem Ring. »WeiÃt du, was das heiÃt bei PreuÃens Erben?«
»Mir hat Frau Karlsson erzählt, dass Witte in Kiel über die Ausweitung der Windeignungsflächen sprechen wollte. Rein informell. Er wollte eruieren, welche Aussichten für Everschopkoog bestehen würden, etwas von den neuen Flächen abzubekommen, die das Kieler Kabinett für die Windenergie bereitstellen möchte. Darum streiten sich jetzt die Gemeinden im ganzen Land. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben. Das ist offenbar die Lizenz zum Gelddrucken. Für die Betreiber, die Investoren, aber auch für die Gemeinden, auf deren Gebiet die Windspargel stehen.«
GroÃe Jäger vergaà vor Staunen den Mund zu schlieÃen.
»Wieso hast du etwas erfahren?«, empörte er sich.
Hilke Hauck lächelte.
»Tja, Onkel. Von Frau zu Frau klappt das eben besser.«
Der Oberkommissar deutete mit beiden Händen weibliche Rundungen vor seiner Brust an. »Da mische ich mit.«
Die Kommissarin zeigte mit ihren Händen eine massive Wölbung in Höhe des Bauchnabels an. »Sieh mal in den Spiegel. Schwangere sollten nicht mit aufregenden Informationen konfrontiert werden.«
GroÃe Jäger schwenkte den
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