Das Dorf in der Marsch
Jahren zu einer beliebten Bummelmeile gemauserte untere Neustadt rechts liegen und folgte dem weiteren Verlauf der StraÃe »Neustadt«, in der sich viele Kneipen aneinanderreihten, deren Besucher der Polizei häufig Einsätze bescherten.
Man hatte seitens der Stadt das Problem dieses Viertels mit den zum Teil heruntergekommenen Häusern erkannt und suchte mit den Bewohnern nach Möglichkeiten der strukturellen Verbesserung. Selbst der alte Wasserturm von 1902, ein markanter Punkt Husums am »Hintereingang« des Schlossparks, war seit Langem wegen Baufälligkeit geschlossen, als würde er sich seiner Umgebung anpassen wollen. Lediglich das beliebte Kino, die neue Seniorenwohnanlage und die Kreisverwaltung ragten aus der Tristesse ein wenig heraus. Und natürlich das Husumhus, das Domizil der dänischen Minderheit.
Christoph rangierte den Volvo in eine der raren Parklücken. Bis zu ihrem Ziel waren es nur wenige Schritte über das unebene Riemchenpflaster.
Die Galerie Stiefel war in einem lang gestreckten Gebäude untergebracht, das nur aus dem Erdgeschoss und einem windschief längs zur StraÃe verlaufenden Dach aus dunklen Ziegeln bestand. Das Gebäude machte mit der grau gehaltenen Fassade und den kleinteiligen Fenstern einen urigen Eindruck. Christoph fand, dass es Atmosphäre ausstrahlte.
Nach dem Ãffnen der Tür erklang ein elektronischer Gong, der aus einer Sprachaufzeichnung Didi Hallervordens bestand.
»Pallim-Palllim«, erklang es aus einem unsichtbaren Lautsprecher.
Kurz darauf erschien ein hagerer Mann mit wallendem weiÃen Haupthaar. Er war in einer weiten Pluderhose gekleidet, über die er eine Art Russenkittel trug. Den faltigen Hals zierte eine Goldkette. Die FüÃe steckten in Flip-Flops. Mit Belustigung registrierte Christoph, dass auf einem der linken Zehennägel ein Smiley aufgetragen war.
Er musterte die beiden Beamten ausführlich. Dann begrüÃte er sie mit einem in Singsang vorgetragenen »Hallo, die Herren. Je später der Abend â¦Â«
»â¦Â desto entschlossener ist die Husumer Polizei«, ergänzte GroÃe Jäger die BegrüÃung. »Herr Stiefel?«
Er nickte beiläufig. »Was will die Polente in meinem Haus?«
»Wir möchten ein paar allgemeine Auskünfte«, begann Christoph.
»So fangen die vom Finanzamt auch immer an.«
»Es geht um Roger Gaultier aus Everschopkoog.«
»Roger? Was hat der ausgefressen? Ist er auf einem seiner Lamas, die er hinterm Haus hält, nach St. Peter-Ording geritten?«
»Sie sind sein Galerist«, sagte Christoph.
Maximilian Stiefel faltete die Hände wie ein tibetanischer Mönch. »Das auch.«
»Sie haben auch eine persönliche Beziehung?«
»Leugnen würden Sie mir ankreiden. Als Maler ist er von einer ganz besonderen Genialität. Wie so oft verstehen das viele nicht. Zugegeben â ich auch nicht immer. Vielleicht muss Roger erst tot sein, bevor er sich gut verkaufen lässt.« Er lachte herzhaft über seine Bemerkung.
»Ich habe eine, sagen wir, delikate Frage«, begann Christoph zögerlich. »Im Zuge unserer Ermittlungen sind auch Fragen zum Intimleben von Herrn Gaultier aufgetaucht.«
Stiefel schien die Frage nicht für auÃergewöhnlich zu halten.
»Der gute Roger ist auch in die Jahre gekommen. Früher galt für ihn im Liebesleben die mediterrane Art. Heute ist es mehr deutsch.« Als Christoph und GroÃe Jäger ihn fragend ansahen, ergänzte der Galerist: »Al dente. Die Italiener lieben die Nudel bissfest. Die Deutschen ziehen es vor, wenn sie schlabberig und weich gekocht ist.«
»So detailliert wollten wir es nicht wissen. Ich zielte mit meiner Frage eher darauf ab, ob Herr Gaultier â¦Â«
»Sagen Sie doch einfach Roger.« Stiefel sprach es überzogen französisch aus. »âºGaultierâ¹ klingt so förmlich.«
»Wir haben gehört, dass er sich an seinem Wohnort für die Nachbarsfrauen interessiert.«
»Roger ist Künstler und neugierig auf die Welt. Sehen Sie. Es gibt GroÃwildjäger, Revierjäger, Seehundjäger ⦠Roger erlegt alles, was ihm vor die Flinte kommt.«
»Eine merkwürdige Ausdrucksweise«, sagte Christoph.
»Gefällt Ihnen nicht, was?« Stiefel seufzte. »Roger versteht das Leben. Ich kann es nachempfinden, dass ihm die Frauen hinterherlaufen. Würde ich
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