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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ich.«
    Â»Worüber konnte man sich mit Witte streiten, sodass einer dabei umgekommen ist?«
    Michelsen tippte sich erregt an die Stirn. »Das ist doch Rubbish . Und wieso …? Ist Witte tot?«
    Große Jäger ging nicht darauf ein. Er spielte mit seinen Fingernägeln und ließ die Gelenke knacken. Nach einer ganzen Weile schien es, als würde er sich erinnern, dass seine Frage noch unbeantwortet war.
    Â»Wie war das noch gleich? Weshalb haben Sie sich geprügelt?«
    Â»Solche Leute wie Witte machen alles kaputt.« Michelsen zeigte auf die idyllische Wehle in seinem Rücken. »Manche laufen blind herum und sehen nicht, wie schön es hier ist. Wir leben in einer einzigartigen Naturlandschaft. Hinter dem Deich ist das Weltnaturerbe Wattenmeer. Da jammern alle, dass man hier weniger verdient als im Süden der Republik, die industrielle Entwicklung an uns vorbeigeht. Und? Hier werden die Leute alt. Hier sind die Menschen gesünder.« Er ließ seinen Arm kreisen. »Fragen Sie doch mal, wer im Smog der Großstadt leben möchte. Da drüben ist der Uelvesbüllkoog, dort der Adolfskoog. Da liegt das Naturschutzgebiet Wester-Spätige. Das gibt es bereits seit 1978 und wird vom NABU betreut. Und dann kommen solche Figuren wie Witte und wollen den Fortschritt. Das heißt, überall sollen diese Scheißwindspargel errichtet werden. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie viele Vögel die vom Himmel holen? Wir engagieren uns für den Vogelschutz auf Eiderstedt, aber nur etwa zwanzig Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche nehmen am Vertragsnaturschutz teil.«
    Â»Dann prügeln Sie doch auf den Falschen ein. Witte ist kein Landwirt.«
    Â»Aber er hat Flächen. Und die lässt er durch die Bauern bearbeiten.«
    Â»Ist es nicht illusorisch«, fragte Große Jäger, »wenn wir alles in Brachland verwandeln wollen? Macht nichts. Unser Brot kommt aus der Fabrik und das Fleisch aus dem Kühlhaus.«
    Michelsen stierte auf Große Jägers Schmerbauch. Christoph war froh, dass der Mann sich eines Kommentars enthielt. So etwas mochte der Oberkommissar nicht hören, auch wenn er selbst oft über seine Figur unkte.
    Â»Wir sind nicht allein auf dieser Welt. Das Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt ist viel zu klein ausgelegt.«
    Â»Meinen Sie das Natura-2000-Programm?«, fragte Christoph.
    Â»Ja, da ist untersagt, Dauergrünland in Acker umzuwandeln, Kleingewässer zu beseitigen oder das Gebiet über das notwendige Maß hinaus zu entwässern.«
    Â»Verdanken wir es Ihnen, dass hier nichts aufgeforstet werden darf?«, fragte Große Jäger.
    Â»Quatsch. Wo sonst ziehen im Frühjahr und Herbst Nonnengänse vorbei …«
    Â»â€¦Â und fressen von den Äckern die sprießenden Pflanzen«, schob Große Jäger dazwischen. »Wie war das mit der Heuschreckenplage im alten Ägypten?«
    Â»Das ist nicht vergleichbar. Die Bauern vergrämen die Vögel mit Gasknallkanonen. Das stört auch die Menschen, die hier leben und kein Land besitzen.«
    Â»Man kann nicht ausschließen, dass die durchziehenden Gänse Einfluss auf die Bestandsentwicklung von Trauerseeschwalbe, Uferschnepfe und Kiebitz haben«, gab Christoph zu bedenken.
    Â»Mit solch blöden Sprüchen ist Witte auch gekommen.«
    Â»Das waren Argumente, aber keine blöden Sprüche«, belehrte ihn Große Jäger.
    Â»Witte hatte keine Ahnung. Dem fehlte was im Oberstübchen, um zu erkennen, was wichtig ist.«
    Â»So – nur Sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Und weil Witte eine andere Meinung vertrat, gab es Streit zwischen Ihnen, der so weit eskalierte, dass Sie sich geprügelt haben.«
    Â»Streit – Streit«, wiederholte Michelsen mehrfach das Wort, als müsse er es sich auf der Zunge zergehen lassen und dabei den Sinn verstehen.
    Große Jäger zeigte auf die Axt.
    Â»War das eines Ihrer Argumente?«
    Auch Michelsen betrachtete das Werkzeug in seiner Hand.
    Â»Scheiße.«
    Â»Das würde ich auch so sehen.« Der Oberkommissar streckte die Hand aus, nachdem er aus den Tiefen seiner Jeans einen Einmalhandschuh geangelt hatte.
    Â»Eh? Was soll das? Ihr glaubt doch nicht, dass …«
    Â»Wir sind keine Rechtgläubigen, auch keine Gläubiger«, erlaubte sich Große Jäger ein kleines Wortspiel, »für uns gelten nur die

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