Das Dorf in der Marsch
konnte.«
»Haben Sie auch wirtschaftliche Interessen?«
Michelsen zeigte auf sich, dann auf das Haus. »Ich bin beim Staat beschäftigt. So wie Sie. Ich habe einen Job direkt beim Sozialministerium. Nennt sich Hartz IV . ScheiÃe. Bin gelernter Betonbauer. Und? Ist nix mit ânem Job.«
»Sie sollten es mal als Aufseher im Klärwerk versuchen«, riet ihm GroÃe Jäger. Als sein Gegenüber ihn fragend ansah, ergänzte der Oberkommissar: »Weil Sie so oft âºScheiÃeâ¹ sagen.«
»Haha.« Michelsen fand das offenbar nicht lustig.
»Und weil Witte andere Vorstellungen von der Nutzung der Landfläche hatte, Landbesitzer war und sich gegen Ihre Ideen von Naturschutz stellte, haben Sie sich zunächst geprügelt. Dann haben Sie Witte totgeschlagen.« GroÃe Jäger hielt die Axt ein wenig in die Höhe. »Hiermit?«
»Scheiâ¦Â« Michelsen hielt mitten im Wort inne. Offenbar war GroÃe Jägers Anmerkung nicht wirkungslos geblieben. »Ja. Natürlich. Wir waren unterschiedlicher Auffassung. Aber deshalb prügele ich mich doch nicht.«
»Ging es um andere Dinge?«, fragte Christoph.
Michelsen sah auf seine Schuhspitzen. »Ja«, murmelte er leise.
»Um Frauen?«, riet Christoph.
Die Antwort kam so leise, dass die beiden Beamten sie nicht verstanden. Erst als Christoph Michelsen aufforderte, lauter zu sprechen, sagte der: »Ich habe keine Freundin.«
Vor Christophs geistigem Auge tauchte die unscheinbare magere Gesine Witte auf. Sie war keine Schönheit. Christoph konnte sich kaum vorstellen, dass Roger Gaultier mit der Frau ein Verhältnis haben sollte. Und jetzt auch noch Michelsen? Er äuÃerte seine Vermutung.
Der Mann im Unterhemd prustete, dass ein feiner Sprühregen aus seinem Mund regnete.
»Ich und Wittes Frau? Das ist ein Joke .« Dann wurde er wieder ernst. »Witte war es. Das verdammte Schwein.«
»Was ist mit Witte?«
Statt einer Antwort drehte er sich abrupt um und stapfte in Richtung des Nachbargrundstücks.
»Hiergeblieben«, rief ihm GroÃe Jäger hinterher, aber Michelsen lieà sich nicht beirren. Er schwenkte seinen Arm im Schultergelenk und bedeutete den Beamten, ihm zu folgen. Die Grundstücksgrenze war unsichtbar. Kein Zaun, keine Hecke oder Pflanzstreifen trennte die Areale. Michelsen trat durch die Hintertür in das Nebenhaus ein. Auf dem FuÃboden lagen Kinderspielzeug und Kinderkleidung. Es roch nach Essen. Irgendwo im Haus brummte ein Staubsauger.
»Heike!«, rief Michelsen. Erfolglos. Der Staubsauger übertönte alles. Der Mann steigerte die Lautstärke, bis irgendwo aus dem Obergeschoss eine Frauenstimme gegen das Summen anrief: »Ja?«
»Ich binâs. Sönke. Komm mal runter.«
»Geht nicht.«
»Mensch. Mach schon. Die Polizei ist hier.«
»Tünbüddel.« Trotzdem wurde der Staubsauger abgestellt und eine kräftig gebaute junge Frau mit rosa Wangen kam die Treppe herunter. Sie stutzte, als sie die Beamten sah.
»Hä?«
Christoph stellte sich und GroÃe Jäger vor. Bevor er weitersprechen konnte, hatte Michelsen das Wort ergriffen.
»Geht um Witte.«
»Den Elektriker? Was ist mit dem?«
»Ich hab den Polizisten erzählt, dass Witte sich manchmal komisch verhalten hat.«
»Was meinst du damit?«, fragte sie unsicher, wischte sich die Hände an der Jeans ab und gab beiden Beamten die Hand. »Tach«, sagte sie dabei.
»Wegen der Kinder«, erklärte Michelsen.
»Was ist mit den Kindern?«
»Na, du weiÃt doch. Der Witte war immer so merkwürdig zu denen.«
Sie zögerte und sah die Polizisten an. Ein wenig Ratlosigkeit lag in diesem Blick.
»Ich weià nicht so recht.«
»Normal war das doch nicht, wie der auf die Kinder los ist«, half Michelsen nach. Dann drehte er sich zu GroÃe Jäger um. »Der hatte immer was SüÃes in der Tasche. Komisch, was? Haben Sie das auch, immer was dabei, wenn Kinder in der Nähe sind?«
»Sönke, so kann man das nicht sagen â¦Â«, unterbrach ihn die Nachbarin.
»Wir haben doch drüber gesprochen. Du, Eggi und ich«, erinnerte Michelsen.
»Eggi, also Egbert â das ist mein Mann. Der ist jetzt auf Arbeit«, erklärte die Nachbarin. »Ja. Schon«, bestätigte sie schlieÃlich.
»Sehân Sie!«, frohlockte Michelsen. »Sag ich doch. Wenn
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