Das Dorf in der Marsch
einteiliges Puzzle ist etwas für die Jüngsten. Ich kann mich schon mit mehr Teilen beschäftigen.«
»Es reicht mir, wenn Sie mir etwas zu diesem Finger erzählen.«
»Gern.« Christoph hörte, wie der Rechtsmediziner eine Tasse hart absetzte.
»Der Finger gehört einem unglücklichen Menschen. Das erkenne ich am Ehering. Vermutlich ein Mann. Bevor er den Löffel, den der Finger hielt, abgab, hat er Sahnepudding gegessen, einen Blick in die Tageszeitung geworfen ⦠Genaugenommen in die Sportnachrichten des Nordfriesland Tageblatts â¦Â«
»Danke, das reicht«, unterbrach Christoph. »Ich habe verstanden. Der Finger hat eine Eingangsnummer aus dem Zettelautomaten bekommen und steckt jetzt in einer Warteschlange. Mit ein wenig Glück werden Sie ihn irgendwann begutachten.«
»Ich versichere Ihnen, dass das vor der Verwesung geschieht«, erklärte Dr. Diether, der im Land für seine schwarze Art von Humor bekannt war.
»Ich dachte, Sie bewahren den Finger im Kühlschrank auf.«
»Das haben wir früher so gemacht, bis ein Kollege das Untersuchungsgut mit seinem Frühstück verwechselt hat. Das gab Ãrger, weil ein Beweismittel verschwunden war. Ich melde mich, wenn wir etwas wissen.«
»Ich habe noch eine letzte Frage. Könnte man anhand des Fingers feststellen, ob das Opfer HIV -infiziert war?«
»Bitte?« Ein schrilles Lachen drang aus dem Telefon. »Also ⦠Früher, als ich jung war. Da hat man sich in der Liebe auf andere Körperteile konzentriert. Das Beste ist, Sie schaffen den Rest auch herbei.«
Christoph sah das Telefon an, nachdem das Gespräch beendet war.
»Du bist gut«, sprach er zum Apparat. »Wie viele Tankwagen Wirtschaftsdünger aus dem Fermenter sollen wir nach Kiel expedieren?«
Christoph traf sich mit anderen Beamten der Kriminalpolizeistelle zur Dienstbesprechung. Es ging um eine Einbruchserie, Körperverletzung, Betrug, zwei Rauschgiftdelikte, Erschleichung von Sozialleistungen ⦠Jeder einzelne Fall bedeutete einen Einschnitt in das Leben der Betroffenen, auch wenn es die Mehrheit der Bevölkerung gar nicht wahrnahm.
Irgendwann tauchte ein gut gelaunter Oberkommissar GroÃe Jäger auf, setzte sich in die Runde, zeigte auf den Kaffeebecher eines Kollegen und fragte leise: »Frisch?«
Als der Beamte nickte, griff GroÃe Jäger zu, bevor sein Nachbar reagieren konnte, und nahm einen groÃen Schluck.
»Warst du über Nacht in Garding?«, fragte ihn Christoph, nachdem der des Kaffees beraubte Polizist vergeblich versucht hatte, dem Oberkommissar Handfesseln anzulegen.
»Ist das ein Verhör?«
»Wir wollen nach Uelvesbüll.«
Der Oberkommissar wiederholte den Ortsnamen. »Du meinst zum Krabbendeich.«
»Porrendeich«, korrigierte Christoph, wissend, dass GroÃe Jäger den Begriff »Porren« kannte, der ein anderer Name für Krabben war.
»Michelsen hieà der Typ, zu dem Witte am Vortag fahren wollte. Dort ist er aber nicht erschienen.«
Porrendeich war ein etwas abseits gelegener Ortsteil der Streusiedlung Uelvesbüll. Die schmale StraÃe, die tatsächlich auf dem Deich verlief, schlängelte sich um vier Wehlen herum. Das waren Gewässer, die durch Auskolkungen bei früheren Deichbrüchen entstanden waren und beim Bau der neuen Deiche nicht wieder aufgefüllt wurden.
»Wusstest du, dass man statt âºWehleâ¹ auch âºBrackâ¹ oder âºBrakeâ¹ sagen kann?«, fragte Christoph den träge neben ihm hockenden Oberkommissar.
»Geschenkt.« Dann gähnte GroÃe Jäger herzhaft.
»Fällt die Sprechstunde in der Gardinger Praxis wegen Ãbermüdung der Ãrztin aus?«, lästerte Christoph.
»Blödmann.«
Christoph grinste und bellte.
Sönke Michelsen wohnte in einem Haus, an dessen Rückseite die gröÃte der Wehlen grenzte.
»Ist ja für AuÃenstehende auf den ersten Blick attraktiv«, stellte GroÃe Jäger fest. »Dafür wirst du hier von Mücken aufgefressen.«
Sie hörten hinter dem Haus die typischen Geräusche des Holzhackens und verzichteten auf das Klingeln an der Haustür. Hinter dem Gebäude stand ein wenig abseits ein Schuppen. Die Türen waren geöffnet. Davor befand sich ein Hackklotz, um den gespaltene Scheite lagen. Ein Mann mit Bart hielt eine Axt hoch und lieà sie kraftvoll
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