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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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der bei mir war, ist er immer hierher rüber. Hat Bonbons verteilt, die Kinder gestreichelt und auch auf den Arm genommen. Das ist doch nicht normal nicht. Der Witte, das ist ein Perverser. Die Maske des Biedermannes. Der hat sich das Vertrauen der Kinder erschlichen, um sie dann hinterher …« Er ließ den Satz offen.
    Â»Ist das nicht weit hergeholt?«, gab Christoph zu bedenken.
    Â»Seh’n Sie.« Michelsen bewegte den Zeigefinger wie zur Belehrung. »Das hört man immer wieder. Jugendämter oder Polizei. Die kümmern sich ’nen feuchten Kehricht drum, wenn es irgendwo glimmt. Die schalten sich erst ein, wenn es lichterloh brennt. Oder es zu spät ist«, schob er hinterher.
    Â»Haben Sie Ihren Verdacht dem Amt gemeldet?«
    Michelsen tat erstaunt. »Nee. Hab ich nicht. Sagte ich doch, dass die das nicht kümmert.«
    Â»Pharisäer«, kommentierte Große Jäger. »Wie sollen die verantwortlichen Stellen das prüfen, wenn sie keine Kenntnis erhalten?«
    Â»Ich hab Witte zur Rede gestellt und ihm klargemacht, dass er seine dreckigen Pfoten von den Kindern lassen soll.«
    Â»Und dann?«
    Michelsen sah die Nachbarin an. »Wir sollten wieder zu mir rübergehen«, schlug er vor.
    Offensichtlich war es ihm nicht recht, dass die Frau von den weiteren Dingen Kenntnis erhielt. Im Gänsemarsch stapften sie auf Michelsens Grundstück zurück. Als sie dort angekommen waren und Christoph einen Blick zurückwarf, sah er, wie die Frau mit vor der Brust verschränkten Armen im Garten stand und zu ihnen herüberstarrte.
    Â»Sie haben Witte Vorwürfe gemacht«, nahm Christoph den Faden wieder auf.
    Michelsen nickte heftig.
    Â»Genau. Plötzlich ist er auf mich los und hat mir eine gescheuert. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Er hat noch ein zweites Mal zugeballert, bevor ich mich wehren konnte. Ich habe ihn am Kragen seiner Arbeitsjacke gepackt und in die Ecke geschleudert. Das war drin in der Waschküche«, ergänzte Michelsen. »Dann bin ich auf ihn los, hab ihm eine geknallt. Ich war so wütend, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass er noch benommen war. Ehrlich. Ich hab nur einmal zugelangt.« Er griff in die Tasche seiner Hose und beförderte ein blaues Stück Stoff mit einem Knopf hervor. »Hier. Das ist dabei rausgerissen. Hab es in die Tasche gesteckt und wollte es verschwinden lassen.«
    Als Große Jäger die Hand ausstreckte, händigte Michelsen ihm den Fetzen widerspruchslos aus.
    Â»Was ist dann geschehen?«, forderte Christoph den Mann auf, seinen Bericht fortzusetzen.
    Â»Ich hab Witte gepackt und in den Schuppen geschleift. Er hat ’nen kräftigen Stoß gekriegt und ist hinten gegen das aufgeschichtete Holz gefallen. Bevor er wieder hochgekommen ist, hab ich außen das Vorhängeschloss dichtgemacht.«
    Â»Und dann?«
    Michelsen wischte sich mit dem Unterarm erneut den Schweiß von der Stirn. »Bin ich rein ins Haus und habe zur Beruhigung eine Zigarette geraucht. Witte hat gerufen. Deshalb habe ich Musik angedreht. Ganz laut. Hardrock. Ich habe eine ganze Weile gewartet. Als ich wieder raus bin, um nach ihm zu sehen, war die Schuppentür aufgebrochen, und Witte war weg. Mitsamt dem Auto. Hab ich aber nicht gehört.«
    Große Jäger warf Christoph einen Blick zu und verschwand in Richtung des Nebenhauses. Christoph sah, wie er ein paar Worte mit der Nachbarin wechselte.
    Als er zurückkehrte, sagte er: »Sie hat bestätigt, dass Michelsen manchmal laut Musik hört. Das kann auch Montag gewesen sein. Witte war auch da. Sie hat das Auto gesehen. Außerdem hat Witte mit dem Sohn gespielt. Wann Witte wieder aufgebrochen ist, hat sie nicht mitbekommen.«
    Â»Ich möchte mir das Schloss ansehen«, sagte Christoph und ging, gefolgt von den beiden anderen, zum Schuppen. Deutlich waren frische Spuren von Axtschlägen im Holz zu erkennen.
    Â»Habe ich nicht dran gedacht, dass ich die Axt im Schuppen habe liegen lassen«, erklärte Michelsen. »Der Idiot hat damit die Tür zertrümmert. Aber auch dazu ist er zu doof. Er muss sich dabei verletzt haben. Hier.« Michelsen zeigte auf dunkelrote Blutspritzer, die auf dem Zementboden zu erkennen waren. Christoph untersuchte die Holzwand und den Türrahmen. Auch dort fand er Blut.
    Â»Witte muss sich ordentlich verletzt haben.«
    Â»Geschieht ihm recht«, murmelte Michelsen. »Rauf auf den

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