Das Dorf in der Marsch
zurück.
»Jetzt sage ich ohne Anwalt nichts mehr.«
Der Oberkommissar sah Christoph an und zeigte mit dem Daumen auf den Maler. »Der Typ sieht zu viele Krimis im Fernsehen.«
Es half nichts. Gaultier blieb verschlossen wie ein störrisches Kind. Er knallte mit Schwung die Haustür zu.
»Eine verschlossene Tür ist für uns noch lange kein Hindernis«, grummelte GroÃe Jäger. »Der geile Gaul wird sich noch wundern. Er sollte beten, dass sich niemand angesteckt hat.« Verbittert schüttelte der Oberkommissar den Kopf. »Ich finde so eine egoistische Einstellung widerwärtig. Denkt der nur mit seinem Petermännchen?«
»Wir werden die Sache weiterverfolgen«, erklärte Christoph. »Das ist aber ein anderer Fall. Unsere Konzentration gilt der Suche nach Witte.«
GroÃe Jäger stöhnte. »Wir sind hier wirklich auf dem Lande.« Er fuhr mit beiden Armen durch die Luft. »Ein riesiger Heuhaufen, und wir suchen die Stecknadel.«
»Irrtum«, korrigierte ihn Christoph. »Wir suchen nach dem Rest, der zum Finger gehört.« Er seufzte.
»Musst du mir alles nachmachen?« GroÃe Jäger sah ihn an.
»Wir haben jetzt einen schweren Gang vor uns«, sagte Christoph.
Der Oberkommissar nickte bedächtig.
SECHZEHN
Der Wagen rollte noch, als die Haustür aufgerissen wurde und Gesine Witte herausstürmte. GroÃe Jäger entriegelte von innen die Sicherung, die sich automatisch ab einer bestimmten Mindestgeschwindigkeit aktivierte.
Die Frau versuchte zunächst vergeblich, die Autotür zu öffnen. Vorsichtig half der Oberkommissar von innen nach. Dabei achtete er darauf, dass Gesine Witte nicht vom aufschwingenden Wagenschlag getroffen wurde.
»Haben Sie etwas von Michel gehört?«, rief sie atemlos. »Wo ist er? Warum kommt er nicht nach Hause?« Sie bedrängte GroÃe Jäger so, dass er den Volvo nicht verlassen konnte.
»Wir sind mitten in den Ermittlungen«, rief Christoph über das Autodach hinweg, nachdem er ausgestiegen war.
»Warum dauert das so lange? Das kann doch nicht so schwer sein, meinen Mann zu finden.«
Doch, dachte Christoph in einem Anflug von Sarkasmus, im schlimmsten Fall finden wir nur ein paar kleine Teile. Er wusste, dass es für die Angehörigen immer besonders schmerzhaft war, wenn sie im Ungewissen blieben. Eltern verschwundener Kinder litten Höllenqualen und schienen erlöst, selbst wenn man ihnen eine traurige Nachricht überbringen musste. Und im Krieg mochten die Kampfhandlungen noch so unerbittlich sein, man einigte sich auf eine Feuerpause, um die Toten zu bergen. Und in diesem Fall? Christoph mochte den Gedanken nicht zu Ende denken.
Inzwischen war auch GroÃe Jäger ausgestiegen.
»Ich entnehme Ihren Worten, dass sich Ihr Mann nicht gemeldet hat?«, fragte der Oberkommissar.
»Würde ich sonst hier stehen?«, giftete Gesine Witte GroÃe Jäger an.
Christoph umrundete den Volvo. »Wir gehen vielen Spuren nach«, erklärte er. »Wir wissen, dass er am Montagvormittag bei Sönke Michelsen am Porrendeich war.«
»Bei dem?«
»Ja. Von dort ist Ihr Mann vermutlich hierhergefahren. Wo waren Sie zu diesem Zeitpunkt?«
»Wieso ich? Ich bin doch hier. Michel ist verschwunden.«
»Wir möchten wissen, wo Sie am Montag waren. Vormittags«, wiederholte GroÃe Jäger.
»Am Montag?« Es klang geistesabwesend. »Da war ich hier.«
»Den ganzen Tag?«
»Doch ⦠äh ⦠Nein! Ich bin gegen neun nach Kotzenbüll gefahren und habe Gretchen besucht. Wir haben einen Kaffee zusammen getrunken. Ihr Mann liegt im Krankenhaus. Wegen seiner Hüfte.«
»Wie heiÃt Gretchen mit Zunamen?«
»Holste. Die wohnt in der DorfstraÃe.«
»Und dann?«
»Wir haben uns festgeschnackt. âºMensch, ich muss losâ¹, habe ich zu Gretchen gesagt. Da war das schon halb eins. Ich bin dann nach Tönning zum Dithmarscher Weg. Gleich vorne, wenn man reinkommt. Da sind die Supermärkte. Da habe ich eingekauft für die ganze Woche.«
»Hat Sie jemand gesehen?«
»Klar«, bestätigte Gesine Witte.
»Wer?«
»Die anderen Kunden. Ich war doch nicht allein da.«
Sie würden diese Angaben prüfen.
»Wann waren Sie zurück?«
»Gegen halb drei.«
»Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
»Nein. Was denn?«
Das wusste Christoph auch
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