Das Dorf in der Marsch
Yannick?«
»Nein, keine Sorge. Können wir davon ausgehen, dass Sie unser Gespräch vertraulich behandeln?« Christoph sah, wie GroÃe Jäger bei dieser Frage mit den Augen rollte. Wie hätte er es sonst formulieren sollen?
Karen Brunke ging nicht darauf ein. »Was ist mit Yannick?«, fragte sie hastig.
»Ist Ihnen aufgefallen, dass sich jemand in unüblicher Weise Ihrem Sohn genähert hat?«
Sie hielt die Hand vor dem Mund. »Yannick? Mein Gott.«
GroÃe Jäger mischte sich ein. »Mein Kollege meint es nicht so, wie Sie es jetzt missdeuten. Sie wissen, dass wir uns ein Bild von Michel Witte machen müssen. Dazu gehört auch, dass wir etwas über ihn als Person herauszufinden hoffen. Ist er umgänglich? Leicht erregbar? Wie reagiert er auf Gespräche mit Erwachsenen? Oder mit Kindern? Leute, die offenkundige Meinungsverschiedenheiten mit GroÃen haben, zeigen häufig ein erstaunliches Einfühlungsvermögen gegenüber Kindern. Was Erwachsene über Witte denken, haben wir durch Befragungen einigermaÃen herausgefunden. Nun interessiert uns Yannicks Meinung. Er ist das einzige Kind im Dorf, abgesehen von Wittes eigenem Nachwuchs.«
Karen Brunke nickte verständig. »Ach so«, sagte sie.
Dabei entspannten sich ihre Gesichtszüge. Plötzlich straffte sich ihr Körper und nahm eine abwehrende Haltung ein.
»Lassen Sie den Jungen aus dem Spiel. Bei allem Verständnis für Ihre Arbeit, aber Yannick ⦠Nein!«
»Wir haben Spezialisten dafür. Natürlich erfolgt das in Ihrer Gegenwart.«
»Nein!« Das war deutlich. In diesem Moment erklang die Schulglocke.
»Die Pause ist um, ich muss in den Unterricht«, erklärte die Lehrerin kühl. »Auf Wiedersehen.« Dann drehte sie sich um und lieà die Beamten stehen.
»Da haben wir Pech gehabt«, stellte GroÃe Jäger lakonisch fest. »Ich habe aber ein Bauchgefühl, dass die Brunke hellhörig geworden ist. Oder sie weià mehr, als sie uns gegenüber zugeben will. Ihr liegt einzig das Wohl ihres Kindes am Herzen. Das ist verständlich.« Er schüttelte die Hand aus, als würde er Wassertropfen entfernen wollen. »Wenn da etwas war, dann soll in Yannick nicht die Erinnerung geweckt werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Frau als Lehrerin vom Fach ist.«
Christoph unterlieà es, zu antworten. GroÃe Jäger hatte recht.
Nachdem GroÃe Jäger eine Zigarette geraucht hatte, fuhren sie nach Everschopkoog zurück.
FÃNFZEHN
Gaultiers Haus sah verwaist aus. Es dauerte ewig, bis der Maler öffnete. Er gähnte herzhaft, als er die Beamten erblickte, und unterlieà es, die Hand vor den Mund zu halten.
»Was wollen Sie schon wieder?«, fragte er unfreundlich.
»Einen Straftäter verhören«, erwiderte GroÃe Jäger, bevor Christoph antworten konnte.
»Hä?« Dieser frontale Anwurf hatte Gaultiers Lethargie auf Anhieb vertrieben.
»Wollen wir das vor der Tür besprechen?«
Der Maler nickte. »Klar. Oder muss ich Sie reinlassen?«
»Nein«, antwortete Christoph schnell.
»Eben. Ich mag Sie nicht. Ist das strafbar?«
»Da bin ich aber heilfroh, dass Sie mir nicht nachstellen«, schob sich der Oberkommissar wieder in den Vordergrund. »Mir ist meine Gesundheit auÃerordentlich lieb, insbesondere, wenn es sich um eine so brisante Erkrankung wie HIV handelt.«
» HI  ⦠was?«, fragte Gaultier.
Es war ein vergeblicher Versuch, rhetorisch auszuweichen und den Unwissenden zu geben. Sein Mienenspiel verriet alles. In seinen Augen stand Entsetzen geschrieben.
»Herr von Eckstein«, benutzte Christoph den richtigen Namen des Malers. »Wir wissen, dass Sie HIV -positiv sind.«
»Ich?« Gaultiers Augenlider flatterten, als er nervös von einem zum anderen sah, als würde er hoffen, jemand würde »April-April« rufen.
»Das ist Ihre Sache. Es ist bestimmt schlimm, mit einer solchen Diagnose leben zu müssen. Jeder Betroffene hat unser Mitgefühl. Wir sind auch nicht hier, um uns ein moralisches Urteil darüber anzumaÃen, auf welche Weise Sie sich angesteckt haben.«
»Wissen Sie, worüber Sie sprechen? Was Sie mir unterstellen?« Gaultier sah den Beamten über die Schulter, als wolle er kontrollieren, ob irgendjemand ihr Gespräch belauschen würde.
»Ist es nicht eine unerhörte Schweinerei,
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