Das Dorf in der Marsch
dass Sie in Kenntnis Ihrer Erkrankung mit anderen Menschen ungeschützten Verkehr haben?«, brüllte GroÃe Jäger plötzlich, als wäre ein Vulkan ausgebrochen.
Gaultier zuckte zusammen und riss unwillkürlich die Hände vors Gesicht, als müsse er sich vor Schlägen schützen.
»War das bei Witte genauso?«, fuhr GroÃe Jäger unverändert heftig fort. »Hat er Ihnen auch Vorwürfe gemacht, weil Sie seine Frau und womöglich ihn in Ihrer unkontrollierten Geilheit selbst angesteckt haben?«
»Woher â¦? Wie kommen Sie â¦? Witte hat nicht â¦Â«, stammelte Gaultier zusammenhangslos. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Der unstete Blick wanderte zu den Beamten, wich aber sofort wieder aus, wenn sie ihm in die Augen sahen.
»Das ist fast ein Mordversuch«, fuhr GroÃe Jäger fort. »Dafür werden Sie zur Rechenschaft gezogen.«
»Aber ich ⦠Weià man schon �« Erneut waren es die unvollständigen Sätze, die zeigten, wie aufgewühlt der Maler war. Die Anschuldigungen trafen ihn wie Peitschenhiebe.
»Mit wem aus dem Dorf haben Sie alles geschlafen?«
Der Maler fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Mit niemandem«, sagte er kaum wahrnehmbar.
»Sie sollten die Wahrheit sagen. Es wird Zeit«, schimpfte GroÃe Jäger.
»Wer hat Ihnen von meiner HIV -Infektion erzählt?«, fasste sich Gaultier schlieÃlich. Dann schien ihm die Erkenntnis gekommen zu sein.
»Sie waren bei Stiefel in Husum, nicht wahr? Dieser krumme Hund. Pure Eifersucht, die den alten Sack umtreibt. Der begreift nicht, dass diese Welt nicht nur aus einem schmalen Korridor besteht, sondern aus einer weiten bunten Wiese, auf der unendlich viel Blumen stehen.«
»Sparen Sie sich Ihre Metaphern«, unterbrach ihn GroÃe Jäger.
Doch Gaultier lieà sich nicht von seinem Verdacht abbringen.
»Stiefel. Du elendiges Stinktier. Na warte.«
»Wollen Sie den Galeristen auch umbringen? So wie Sie es mit Witte gemacht haben, als er bei Ihnen auftauchte und nach der Erkrankung seiner Frau fragte?«
»Witte, der Trottel. Der hatte doch keine Ahnung. Von nichts. Und was heiÃt hier Mordversuch? Wenn â ich betone: Wenn! â ich mit Leuten intim war, dann habe ich sie nie gezwungen. Die sind immer freiwillig mit mir ins Bett gegangen. Heute sollte jeder wissen, wie gefährlich das ist. Wo bleibt die Eigenverantwortung? Wer sich auswärts vergnügt, muss ein gewisses Risiko in Kauf nehmen.«
»Darüber haben die Juristen zu befinden«, mischte sich Christoph ein. »Die Rechtsprechung ist anderer Auffassung als Sie. Das ist grob fahrlässige Körperverletzung.«
»Wo waren Sie Montag früh?«, wechselte der Oberkommissar das Thema.
»Weià ich doch nicht. Ist das von Bedeutung?« Gaultier schien seine Selbstsicherheit langsam zurückzugewinnen.
»Von groÃer Bedeutung«, erklärte GroÃe Jäger. »Davon hängt es ab, ob Sie die letzten Jahres Ihres Lebens hinter Gitter verbringen.«
»Ich?«
»Ja. Mord wird bei uns hart bestraft.«
»Ich habe doch nicht â¦Â« Plötzlich schien ihm etwas einzufallen. »Montag? Da war ich doch bei Stiefel. Den alten Gauner musste ich aus dem Bett holen.«
»Natürlich haben Sie keinen Zeugen dafür«, spottete GroÃe Jäger.
Plötzlich hellte sich die Miene des Malers auf.
»Doch.« Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Ich war mit Bärbel in Husum.«
»Bärbel Lattmann? Der Lebenspartnerin von Wychzek. Was wollten Sie in Husum?«
»Bärbel meinte, sie würde auch malen. Sie hat mich genervt, bis ich ihr versprochen habe, ein gutes Wort für sie bei meinem Galeristen einzulegen.«
»Erfolgreich?«
Ein zaghaftes Lächeln erschien auf Gaultiers Antlitz. »Wo denken Sie hin. Laie. Die hat weder Talent, noch beherrscht sie irgendeine Maltechnik. Da passt nichts. Ihre Bilder strotzen von Disharmonie.«
Christoph erinnerte sich an Gaultiers eigene Werke, denen er auch nichts hatte entnehmen können. »Warum sind Sie trotzdem nach Husum gefahren?«, fragte er stattdessen.
Jetzt grinste der Maler sogar. »Ich habe ihr einen Gefallen getan. Sie war ausgesprochen dankbar.«
»Und in welcher Weise hat sie das gezeigt?«, fuhr GroÃe Jäger Gaultier an.
Der zog sich in sein Schneckenhaus
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