Das Dornenhaus
dem Haus trägt. Hat keinen Zweck, nur so rumzuhängen. Ich hab mir oft gewünscht, ich wär mal nach Frankreich gekommen. Um zu sehen, wie es da war. Ich hab’s immer bedauert, dass sie mich abgewiesen haben und dass ich nicht mit euch Burschen da rübergehen konnte.«
»Du hast hier deinen Teil getan, Sid. Es war die Hölle, und wir haben eine Menge unserer Kameraden verloren, aber wir hatten auch gute Zeiten, das kann ich dir sagen. Mir kommt da eine Idee, Sid. Wenn du wieder bei Kräften bist und hier rauskommst, könnten wir das zusammen machen. Nach Frankreich fahren. Was hältst du davon?«
»Mach dich doch nicht lächerlich, Wally. Ich komm hier nie mehr raus. Aber ich fänd’s prima, wenn du das machen würdest. Versprich mir, dass du was unternimmst und nicht nur einfach auf das Ende wartest. Das macht keinen Spaß, glaub’s mir, Kumpel.«
Wally konnte nicht sprechen, griff nach der Hand seines Freundes und drückte sie.
»Na gut«, sagte er schließlich. »Ich setz meine Denkkappe auf und mach ein paar Pläne.«
Aber Wally fiel es schwer, sich vorzustellen, irgendetwas ohne die fröhliche Kameradschaftlichkeit seiner Gladys zu unternehmen, und außerdem gestattete ihm seine Pension nicht, große Sprünge zu machen. Also werkelte er im Haus und im Garten herum und füllte seine Tage zwischen den Krankenbesuchen bei Sid mit kleinen Aufgaben aus.
Sechs Wochen später kam er auf Station C und fand die grünen Vorhänge um Sids Bett zugezogen. Schweren Herzens zog er sie mit einem metallischen Klirren zur Seite. Das Bett war leer.
Eine junge Krankenschwester kam auf ihn zugeeilt. »Es tut mir leid. Wollten Sie zu Mr. Johnson?«
Wally nickte.
»Er ist heute Morgen gestorben. Sind sie ein Verwandter?«
»Nein. Sein Freund. Sein einziger Freund.«
Aus der Reise nach Übersee wurde nie etwas. Wally blieb in Bangalow und machte in der gleichen einfachen Routine weiter wie bisher. Es war nur noch die Hülle seines früheren Lebens, und er merkte mehr und mehr, dass er zwar in der Gegenwart existierte, aber in der Vergangenheit lebte. Er saß in der Sonne im Garten, und die Stunden vergingen unbemerkt, während er die Kriegsjahre mit Harold und dem jungen Ben nacherlebte und vor allem all die glücklichen Jahre in Zanana.
Im Jahr 1940, nachdem Australien in den Krieg eingetreten war und die Engländer im Kampf gegen die Deutschen unterstützte, zog Wally nach Sydney um, in das Kriegsveteranenheim von Bondi. Auf dem Land und in den ländlichen Städten übernahm die Women’s Land Army viele der vorher von Männern ausgeführten Arbeiten, und Wally fühlte sich überflüssig und einsam. Als er von einem Kameraden aus seinem Bataillon hörte, der in Bondi lebte, beschloss Wally, seine Heimatstadt endgültig zu verlassen.
Er verkaufte das Häuschen, packte zwei Kisten und zwei Koffer, schickte sie voraus und nahm den Bus nach Lismore, um mit dem Nachtzug nach Süden zu fahren. Der Bus hielt in der Stadtmitte, und Wally spazierte durch die Keen Street, bevor er den Weg zum Bahnhof einschlug.
Er kam am Rathaus vorbei und blieb einen Moment stehen, während er zusah, wie sich ein junges Paar vor dem Rathausportal fotografieren ließ. Sie hatten sich gerade standesamtlich trauen lassen.
Wie jung sie sind, dachte Wally mit einem Blick auf die sehr kindlich wirkende Braut in ihrem rosa Kostüm mit dem großen Blumenbukett am Aufschlag und einem Hut in einem tieferen Rosa auf dem Haar, das in weichen Wellen ihr Gesicht einrahmte.
Der junge Mann mit dem frischen Gesicht war in Uniform und trug den Schlapput lässig auf dem Kopf. Sie lächelten den Fotografen strahlend an.
Wally konnte zwar nicht verstehen, was sie sagten, aber der junge Mann stupste seine kindliche Braut mit dem Ellbogen an. »Zieh deinen Bauch ein, Sally.«
»Dafür ist es zu spät, Alec. Das lässt sich nicht mehr verstecken«, kicherte sie, hängte sich an seinen Arm und sah ihm lachend in die blauen Augen.
Zwei ihrer Freunde, die bei dem Fotografen standen, winkten ein Taxi herbei. Sie öffneten die Türen und warteten auf das letzte Klicken des Fotoapparats. Der Fotograf nahm eine Karte aus seiner Brusttasche, schrieb etwas darauf und reichte sie dem jungen Mann. »Hier. Die Fotos werden fertig sein, wenn Sie von der Hochzeitsreise zurückkommen.«
Das Mädchen zog den frisch gebackenen Ehemann mit sich zum Taxi.
»Beeil dich, Alec, sonst verpassen wir den Zug.«
Unter Gelächter stiegen die vier ein, und das Taxi fuhr
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