Das Dornenhaus
davon.
Wally ging mit schwerem Herzen weiter und dachte daran, wie sorglos er und seine Kameraden in den Krieg gezogen waren, den sie für ein großes Abenteuer gehalten hatten.
Diese Generation würde es doch bestimmt besser wissen. Wozu sonst all die Opfer? Die Geschichte schien sich zu wiederholen. Würde dieser junge Mann zu seiner Kindbraut zurückkehren? Wenn ja, dann wird aus dem Jungen ein verbitterter Mann geworden sein, dachte Wally.
Auf dem Ecksitz seines Zweiter-Klasse-Abteils hörte Wally das schrille Pfeifen, das Zischen der komprimierten Luft aus den Bremsen und dann den mit lautem Puffen ausströmenden Dampf. Dann glitt auch schon der Bahnhof vorbei, als sich der Zug in Richtung Sydney in Bewegung setzte. Bald nahm er Geschwindigkeit auf, und das rhythmische Rattern der Räder sowie das sanfte Schaukeln waren tröstlich und beruhigend.
Wally schaute aus dem Fenster und hielt den Blick in die Ferne gerichtet, als ihm plötzlich einer von Gladys’ Lieblingssprüchen einfiel: »Du musst vorwärts schauen, Wally. Ganz egal, was kommt, sieh nach vorne.«
An der Spitze des Zuges fuhr die große Lokomotive mit langem, schrillem Pfeifen in die Nacht.
Kapitel dreiundzwanzig
Sydney 1971
E den faltete sorgfältig die Mittelseite des
Daily Telegraph
zusammen und lehnte sie gegen eine leere Vase auf dem Frühstückstisch. Obwohl er sich darauf zu konzentrieren schien, sich eine weitere Tasse Kaffee einzuschenken, war er mit den Gedanken bei Odettes Artikel. Wenn auch nichts Abschätziges über seine Pläne für Zanana gesagt wurde – ja, Eden wurde sogar kaum erwähnt –, war er trotzdem verstimmt über die Reportage. Während er abwesend an seinem Toast knabberte und hin und wieder einen Schluck Kaffee nahm, las er den Artikel noch einmal durch, überprüfte die Details, suchte nach Fehlern, nach dem Ursprung seiner Gereiztheit.
Trotz der Jahre der Vernachlässigung fingen die Fotos die architektonische Pracht der Villa und die Schönheit der einst sorgsam gepflegten Gärten ein. Die Zusammenfassung der Geschichte des Besitzes war faszinierend, wenn auch große Lücken blieben, die Odette die Möglichkeit gaben, auf Geheimnisse und Intrigen hinzudeuten. Er las diesen Teil des Artikels mehrere Male, bevor er sich den Einzelheiten der momentanen Auseinandersetzung widmete.
Es wurde berichtet, dass der vergessene Besitz am Fluss, bewohnt von einer alten Einsiedlerin, aber offenbar vernachlässigt, ein wertvolles, mehrere Hektar großes Ufergrundstück war, um das nun von zwei verschiedenen Seiten erbittert gekämpft wurde. Auf der einen Seite stand die Baugesellschaft Hacienda Homes, die eine Kaufoption erwirkt und einen Antrag auf Umwandlung in Bauland gestellt hatte, ihre Baupläne aber erst später bekannt geben würde. Auf der anderen Seite stand eine Bürgerinitiative, geführt von Mrs. Flora Bramble. Ein Komitee mit dem Namen »Rettet Zanana« kämpfte nicht nur um die Erhaltung des geschichtsträchtigen Hauses, sondern vertrat auch die Meinung, dass sich bei den Bürgern ein immer stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit durchsetzte, historische Stätten zu bewahren.
Mrs. Bramble wurde zitiert, die dargelegt hatte, dass die fünfziger Jahre ein Jahrzehnt der Erneuerung und der Modernisierung um jeden Preis gewesen seien. In den Sechzigern sei ein neues Bewusstsein dafür entstanden, dass man die Dinge auch anders handhaben könne und dass ein neues Zeitalter bevorstehe. In diesem Jahrzehnt nun hoffe sie, dass die Stimme des Volkes sich erheben und von den Politikern und anderen einflussreichen Persönlichkeiten wahrgenommen und gehört werde. Sie fügte hinzu, dass die Notwendigkeit bestehe, die Vergangenheit zu respektieren und die Symbole vergangener Tage zu bewahren. Damit seien nicht nur prächtige alte Gebäude gemeint, sondern auch einfache Behausungen, die bedeutsam für die Entwicklung Australiens seien – Siedlerhäuser, klassische Schafscherschuppen, Gehöfte, Läden und städtische Bauten.
Diese Denkweise werde von der Regierung und den Behörden als etwas Neues betrachtet, von örtlichen Gemeinden aber begeistert aufgenommen, weil ihnen klar werde, dass auch sie eine Stimme hätten. Eden fand, dass sich die Darlegungen Mrs. Brambles etwas übertrieben anhörten, und fragte sich, ob Odette Barber der Vororthausfrau die Worte nicht in den Mund gelegt hatte.
Eden hatte durchaus Verständnis für die Einstellung dieser Leute, wünschte sich aber, sie würden ein bisschen
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