Das Dornenhaus
Emaillehalter voller Streichhölzer stand.
»Sieht so aus, als würde die alte Dame das indische Haus als Abstellkammer benutzen«, meinte Odette.
»Vielleicht sollten wir lieber verschwinden, solange sie uns noch nicht bemerkt hat«, schlug Eden vor und nahm Odettes Hand, um ihr über die zerfallenen Stufen zu helfen.
Auf dem Rückweg zum Bootsschuppen sprachen sie kaum. Odette setzte Eden vor seinem Büro ab.
»Danke, dass du mitgekommen bist. Ich weiß nicht, ob ich damit etwas erreicht habe, aber es hat sich trotzdem gelohnt, weil ich entdeckt habe, dass du ein Teil meiner Vergangenheit bist«, sagte sie lächelnd.
»Es war ein schöner Nachmittag, Odette. Danke. Warum betrachten wir den heutigen Tag nicht als einen Wendepunkt in unserem Leben? Wir haben eine gemeinsame Verbindung zu unserer Kindheit, wir sind unterschiedliche Wege gegangen, aber jetzt sind wir uns wieder begegnet. Vielleicht setzen wir unser Leben auf diesen unterschiedlichen Wegen fort, doch das heißt nicht, dass wir keine Freunde sein können. Ehrlich gesagt, ich glaube, dass das vorausbestimmt war.«
»Vielleicht hast du Recht. Wir müssen abwarten und sehen, was das Schicksal mit uns vorhat. Ich habe einen Freund, der sich mit solchen Dingen auskennt … Bestimmung und Schicksal und so. Ich werde seinen Rat einholen und dich wissen lassen, was er meint. Auf Wiedersehen, Eden.«
Er blieb auf der Straße stehen und sah ihr nach, bis das Auto verschwunden war. »Schicksal?«, murmelte er und ging ins Haus. Vor seinem inneren Auge sah er einen Kopf voll wirrer roter Locken, aquamarinblaue Augen, ein entschlossenes Kinn in einem herzförmigen Gesicht und hörte den Wildfang voller Selbstsicherheit verkünden: »Ich bin Detty.«
Kapitel fünfundzwanzig
Sydney 1972
E in Laufjunge sauste durch die Redaktion der
Gazette
und knallte einen dicken Umschlag auf Odettes Schreibtisch.
»Weltbewegende Informationen aus einer absolut zuverlässigen Quelle im Zentrum der internationalen Finanzwelt«, verkündete er mit lauter Stimme.
Odette lächelte. »Danke, Meister. So viel Stil und Service werden bestimmt bei der Direktion nicht unbemerkt bleiben, und du wirst mit einer schnellen Beförderung belohnt werden, ohne erst ein Volontariat machen zu müssen. Weiter so!«
»Ich gebe mich auch damit zufrieden, bei dieser großen Kundgebung, mit der Sie zu tun haben, Zac vorgestellt zu werden. Wie wär’s damit, BO ?«, sprach er sie an, indem er ihre Initialen umkehrte – ein bei den Laufjungen sehr bewunderter Versuch, witzig zu sein.
»Nur, wenn du jede Menge Freunde mitbringst. Jetzt lass mich weiterarbeiten. Zurück in deine Zelle.«
In dem Umschlag befand sich ein Schreiben des Finanzredakteurs Matthew Tead und ein dicker Packen Kopien. Matt hatte sich einen Namen damit gemacht, seine Berichte aus der Finanzwelt äußerst humorvoll abzufassen, so dass manche sagten, sie seien unterhaltsamer als die Klatschspalte. Sein Schreiben war kurz und prägnant.
Liebe Odette,
solltest Du nicht bereit sein, mich zu einem opulenten Mahl mit gutem Wein einzuladen, brauchst Du nicht weiterzulesen.
Danke. Dann also Freitag beim Griechen.
Dein geheimnisvoller Käufer von Zanana ist immer noch ein Geheimnis. Nein, Du kannst Deine Einladung zum Essen nicht zurücknehmen.
Aber an der Sache ist irgendwas faul.
Soweit ich herausfinden konnte, gehört Zanana keiner Einzelperson, sondern einem komplexen Firmengeflecht unter dem Dach von Beveridge Investments. Alle möglichen zwielichtigen Scheinfirmen sind daran beteiligt, und es wird eine Weile dauern, bis ich mich da durchgewühlt habe. Dabei werde ich bestimmt letztlich auf eine oder mehrere Personen stoßen, aber bisher sind keine Namen aufgetaucht, die mir etwas sagen.
Mit Deinem Stadtrat hatte ich mehr Glück. Sehr zuverlässige Kollegen bei der Börse haben rausgefunden, dass er vor kurzem ein dickes Bündel von Anteilen an einem Bauunternehmen zu einem völlig überhöhten Preis verkauft hat. Niemand sonst hat ein Stück von dem Kuchen abgekriegt – ein Verkäufer und ein Käufer für das ganze Paket. Der Käufer ist – na, rate mal? – Hacienda Homes Development Company Pty Ltd. Nähere Einzelheiten findest Du in den beigefügten Unterlagen. Hacienda besitzt jetzt die Aktienmehrheit. (Nein, es gibt keinen Preis dafür, wenn Du errätst, welche Firma den Zuschlag für die Bauarbeiten in Zanana bekommen wird!)
Die Frage stellt sich, was hat Stadtrat Beck getan, um ein solches Glück auf dem
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