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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Tasse Tee. Ja, er hat vor einer Woche Anweisungen aufgeschrieben und sie der Hausmutter gegeben. Die Männer scheinen zu wissen, wann es so weit ist. Ich erlebe das oft genug. Setzen Sie sich doch. Milch und Zucker?«
    Odette bemühte sich immer noch, ihren Tränenfluss einzudämmen, als die Hausmutter das kleine Wartezimmer betrat.
    »Ich hörte, dass Sie Mr. Simpson besuchen wollten. Es tut mir leid. Er ist friedlich gestorben. Er hatte ein langes Leben und war ein angenehmer Patient. Die Schwester sagt, Sie seien keine Verwandte. Darf ich nach Ihrem Namen fragen?«
    »Odette Barber.«
    »Ah, das dachte ich mir schon. Er hat Ihnen einen Brief und einen Karton hinterlassen. Wenn Sie mir einen Ausweis zeigen könnten, hole ich es.«
    Odette zeigte ihr ihren Presseausweis.
    »Sehr schön, vielen Dank. Ich bin gleich zurück.«
    Die Schwester kam mit einer Tasse Tee und bemühte sich, ein Gespräch zu führen. »Haben Sie ihn lange gekannt?«
    »Als ich ihn kennen lernte, war ich noch ein Kind, und es gab etwas, was uns beide interessierte.« Sie nahm einen Schluck Tee.
    »Er war sehr alt. Erstaunlich, wie gut er sich hielt. Nett von Ihnen, ihm einen Rosenstock zu bringen. Er liebte Rosen. Wir haben hier welche im Garten, aber er sagte immer, er hätte schönere gesehen. Sagte, er hätte einst im schönsten Rosengarten der Welt gearbeitet. Sie kommen schon manchmal auf komische Ideen, wenn sie so alt sind.«
    Odette zwang sich zu einem Lächeln. »Er hat tatsächlich in einem herrlichen Rosengarten gearbeitet. Ja … einem wunderschönen Garten.«
    Die Hausmutter kehrte zurück und gab Odette ein in braunes Papier eingewickeltes Paket. »Wenn Sie so freundlich wären, mir bitte den Empfang zu quittieren … ich danke Ihnen.«
    Wie betäubt murmelte Odette ein paar Dankesworte und ging langsam zum Parkplatz zurück. Als sie die Tür ihres Wagens aufschloss, hörte sie, wie ihr Name gerufen wurde, und die Schwester kam ihr nachgelaufen. »Sie haben das hier vergessen«, sagte sie und reichte Odette den Rosenstock.
    Odette betrachtete die zarten Blüten, die für sie plötzlich ein Symbol der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des Lebens waren. Sie staunte über die Zartheit und Schönheit der winzigen Blüten und über die natürliche Lebenskraft der Pflanze. Die Blüten und Blätter würden abfallen, aber ihr Lebenszyklus würde von neuem beginnen. Odette verspürte das überwältigende Verlangen, die Rose nach Zanana zu bringen und sie dort einzupflanzen.
    Sie stellte sie auf den Boden des Autos und riss das braune Papier von dem Paket ab. In dem alten Schuhkarton fand sie in paar Fotos, Briefe und einen dicken Stapel Notizbücher. Obendrauf lag ein an sie adressierter Brief. Sie öffnete ihn und faltete vorsichtig das Blatt auseinander, das mit zittriger Handschrift beschrieben war.
    An Miss Odette Barber
     
    Liebe Odette,
    meine alte Gladys (Gladys Butterworth, mit der ich die letzten Jahre ihres Lebens verheiratet war) hat Tagebuch geführt, seit sie nach Zanana kam. Hier ist es, zusammen mit ein paar Briefen und Fotos, die sie aufgehoben hat. Sie bat mich, das alles jemandem zu geben, dem es etwas bedeutet und der vielleicht an der Geschichte von Zanana und an den Jahren, die wir dort verbracht haben, interessiert ist.
    Ich glaube, Sie sind genau die Richtige, junge Dame, daher vertraue ich es Ihnen an, in der Hoffnung, dass Sie daran Interesse haben und es für sie aufbewahren werden.
    Falls Sie die Sachen nicht behalten wollen, schlage ich vor, sie der Historischen Gesellschaft von Kincaid zu überlassen.
    Danke, dass Sie mich alten Mann besucht haben, und halten Sie für mich ein Auge auf Zanana.
    Freundliche Grüße
    Wallace Simpson
    Odette wischte sich eine weitere Träne weg und wünschte sich, sie hätte mehr Zeit mit ihm verbracht. Es hätte sich so leicht bewerkstelligen lassen und ihn bestimmt enorm aufgeheitert. Sie sah die Briefe und Fotos durch, die ordentlich mit einer Schnur zusammengebunden waren. Die Notizbücher enthielten das erwähnte Tagebuch. Sie las hier und da einen Eintrag nach.
    Eine halbe Stunde später legte Odette mit zitternden Händen alles zurück in den Karton und fuhr nach Hause. Sie würde eine lange Zeit ungestört lesen müssen. In der Wohnung hängte sie das Telefon aus, machte sich eine Kanne Kaffee und ließ sich in einem Sessel nieder. Sie war erleichtert, dass Elaine über Nacht fort war und sie sich ganz auf ihren Fund konzentrieren konnte. Sie las mehrere Stunden lang

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