Das Dornenhaus
dazu attraktiv, talentiert und sehr entschlossen.«
Odette nahm es als ein leicht dahingesagtes Kompliment und blieb ernst. »Wenn man wirklich an etwas glaubt, dann muss man sich mit aller Kraft dafür einsetzen, finden Sie nicht auch?«
»Allerdings. Aber Sie haben eine zusätzliche Verantwortung als Journalistin … doch lassen wir das, damit wir uns nicht gleich wieder anbrüllen. Bleiben wir bei dem Waffenstillstand, den Sie vorgeschlagen haben. Wo fahren wir hin?«
»Sie werden schon sehen. Es ist ein bisschen … äh … hinterlistig.«
Sie war auf dem Weg nach Zanana, das er bisher nur auf dem Papier kannte. Er musste den Blick von der oberen Terrasse hinab auf den Fluss schweifen lassen und diese wunderbare Aussicht genießen, er musste die Villa sehen und die Rosen riechen, dann würde er bestimmt den Wert dieses einmaligen Besitzes erkennen. Da war zwar das Problem mit der alten Dame, aber Odette hoffte, dass sie im Haus blieb und ihnen nicht über den Weg lief. Sie konnte kaum die Besitzerin sein, da Odette herausgefunden hatte, dass Zanana im Besitz einer Scheinfirma mit dem Namen Beveridge war.
»Sie sind sehr schweigsam. Ich will Sie nicht vom Fahren ablenken oder von irgendwelchen Plänen, die Sie ausbrüten, aber erzählen Sie mir doch ein bisschen von sich«, meinte Eden, um ein Gespräch zu beginnen. »Wie lange arbeiten Sie schon bei der
Gazette
und dem
Telegraph
?«
»Seit ein paar Jahren. Ich war zwischendurch einige Jahre im Ausland. Es war eine interessante Zeit, die ihren Zweck erfüllt hat.«
»Ihren Zweck erfüllt hat?«, wiederholte Eden grinsend. »Um ein gebrochenes Herz zu heilen?«
»Nein! Es war wegen der Erfahrung und des Abenteuers«, schnappte sie. Doch als sie sah, dass er vor ihrer scharfen Antwort leicht zurückzuckte, gab sie zu: »Ja, auch um über jemanden hinwegzukommen. Ich würde es nicht als gebrochenes Herz bezeichnen. Wir sind immer noch gute Freunde. Mehr konnte es nie sein. Aber damals wusste ich das nicht.«
»Ein guter Freund ist nicht so leicht aufzuwiegen.«
»Das stimmt.«
Eden wechselte das Thema. »Und Sie haben Ihre journalistische Ausbildung bei der
Gazette
erhalten?«
»Nein. Beim
Clarion
.« Sie sah sein fragendes Lächeln. »In der fabelhaften Stadt Amberville, einer Bezirksstadt mit fünfzehntausend Einwohnern. Aber es war eine hervorragende Grundlage, die Zeitung wurde von einem erstklassigen Zeitungsmann aus der Hauptstadt geführt, der beschlossen hatte, dem Großstadttrubel zu entfliehen. Wo sind Sie ausgebildet worden – Sie sind mehr als ein Architekt, nicht wahr?«
»Nein, ich bin eine Art Kreuzung zwischen einem Planer und einem Gestalter, aber wohl hauptsächlich Planer. Ich bin in einer kleinen Stadt aufgewachsen, und es war schwer, das Geld für die Universität aufzubringen. Aber ich habe ein paar technische Kurse belegt und bin einem alten Mann begegnet, der sehr weise war und phantastisch mit Holz umgehen konnte. Er war viel mehr als ein Tischler, konnte ein Stück Holz in die Hand nehmen und sofort beschreiben, wie es einst als lebendiger Baum ausgesehen hatte. Er glaubte daran, dass man jedes Stück Holz mit Respekt behandeln muss, so wie man Respekt vor der gesamten Natur haben sollte. Ein echter Buschphilosoph, aber er hatte einen gewaltigen Einfluss auf mich. Lehrte mich das, was ich die Philosophie der Umgebung nenne.«
»Was bedeutet das in einfachen Worten?«
»Dass wir nicht nur das Produkt unserer Erziehung, des Einflusses von Familie, Freunden und Lebensumständen sind, sondern ebenfalls das Produkt unserer unmittelbaren Umgebung. Damit meine ich das Haus, in dem wir leben, die Form und Farbe der Räume, die Möbel, das Licht. Und wenn wir zur Haustür hinaustreten, sehen wir dann Schönheit oder Hässlichkeit? Gibt es da einen Baum, etwas Grünes, etwas Wachsendes – selbst wenn es nur ein winziges Beet ist –, oder sind wir nur von Stein und Beton umgeben, von unnatürlichen Dingen?«
Odette antwortete mit Leidenschaft in der Stimme. »Und kann ich einen Vogel hören oder nur den Verkehrslärm? Das ist interessant. Ich weiß, es gibt viele Studien über die Auswirkung von Raum und Farbe auf die Psyche. Genau das meine ich ja mit Zanana! Etwas, das schön ist und einmalig und die Seele mit Harmonie erfüllt. Und wenn man es zerstört, dann bringt man die Musik zum Schweigen.«
»Odette, bitte, lassen Sie uns nicht wieder davon anfangen. Ich will Zanana nicht zerstören, nur die Möglichkeit schaffen,
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