Das Dornenhaus
dass mehr Leute sich an der Schönheit erfreuen können.«
»Aber es wird nie mehr dasselbe sein. Zanana ist ein Kleinod. Wenn man ein kostbares Juwel zu lauter kleinen Steinen zurechtschleift, sind sein ursprünglicher Wert und seine Schönheit dahin. Okay, wir sind da.«
Sie bog auf den Parkplatz neben dem renovierten Bootsschuppen von Kincaid ein. »Warten Sie einen Moment.«
Eden wartete mit gutmütiger Geduld, ein nachsichtiges Lächeln auf dem Gesicht.
Odette kam aus dem Büro heraus, ging in Richtung Anlegesteg, winkte ihm, ihr zu folgen, und machte ein Dinghi los.
»Wollen wir Boot fahren?«
»Ja. Steigen Sie ein und setzen Sie sich ans Heck. Ich nehme die Ruder.« Sobald sie im Boot waren, stieß sich Odette vom Steg ab, aber bevor sie die Ruder ins Wasser tauchte, zog sie ein Tuch aus der Tasche. »Ich werde Ihnen die Augen verbinden, damit die Wirkung nachher umso größer ist.«
Er grinste, als sie ihm das Tuch um die Augen band. »Wie Sie wollen.«
Schweigend glitten sie den Fluss hinunter, und als der Anlegesteg und das Bootshaus in Sicht kamen, sagte sie zu Eden: »Ziehen Sie Schuhe und Socken aus. Wir müssen an Land waten. Der Steg ist ziemlich kaputt.«
Er gehorchte, krempelte seine Hosenbeine hoch und gestattete ihr, ihm aus dem Boot zu helfen, das sie an einer Mangrove vertäut hatte.
Sie nahm seine Hand, führte ihn zum Bambushain und dann auf die unterste Terrasse. Oben auf dem Hügel war das Dach der Villa hinter den großen, stattlichen Bäumen jetzt kaum mehr zu sehen.
Odette nahm ihm das Tuch ab. Eden rieb sich die Augen und blinzelte.
»Zanana«, sagte er leise und drehte sich dann zu Odette. »Mich hierher zu bringen wird nichts an meiner Einstellung ändern, Odette.«
»Aber Sie sagten, Sie hätten es sich nie angesehen. Kommen Sie, schauen Sie einfach nur. Sagen Sie nichts, bitte.«
Sie schien den Tränen nahe, also hielt er sich zurück, und sie gingen schweigend Seite an Seite die Terrassen hinauf, durch den versunkenen Garten, an der bemoosten Sonnenuhr vorbei und auf den Rosengarten zu. Hier blieben sie kurz stehen, gingen dann spontan zu der alten Gartenbank, setzten sich und schauten sich um und atmeten den Duft der wirr durcheinander wuchernden Rosen ein.
»Das ist nur ein Teil des Rosengartens«, erklärte Odette. »Er zieht sich noch weiter hinauf bis zu einer Laube und zur obersten Terrasse.«
»Ich weiß.«
»Aber finden Sie nicht, dass es besser ist, es so zu sehen, als nur auf einer Karte oder einem Plan?«
»Absolut. Aber ich bin schon hier gewesen, wissen Sie. Ich habe nicht vollkommen blind gearbeitet. Sie werden doch nicht glauben, dass ich ein ganzes Konzept ausarbeite, ohne vorher über das Gelände gegangen zu sein, die Luft eingeatmet zu haben, gesehen zu haben, wie die Schatten fallen, wo die Bäume stehen?«
»Aber Sie sagten mir, Sie hätten sich Zanana nicht angesehen, bevor Sie Ihren Entwurf gemacht haben?«
»Das brauchte ich nicht. Sehen Sie, ich weiß sehr viel über Zanana, was Sie vielleicht erstaunen wird.«
Odette war verwirrt. »Was denn zum Beispiel?«
»Ich weiß von dem edelsteinbesetzten Himmel über dem Bett im indischen Haus.«
Odette starrte ihn an. Er kannte Zanana. »Wann … wie …?«, stammelte sie.
Eden griff plötzlich nach ihrer Hand. »Odette, ich möchte Sie nicht im Ungewissen lassen. Ich muss Ihnen etwas erzählen.« Er schwieg einen Moment.
»Ich bin hier aufgewachsen. Mein Vater hat ein paar Jahre als Verwalter hier gearbeitet. Ich kenne Zanana, glauben Sie mir.«
Odette war sprachlos. Sie starrte ihn immer noch an, den Kopf voll wirrer Gedanken und widersprüchlicher Gefühle. Eden sagte nichts, aber er spürte die Anspannung in ihrer Hand.
Dann leuchteten plötzlich ihre Augen auf. »Dean … du bist Dean!«
Ihm sackte das Kinn herab. »Das war mein Spitzname als Kind … Woher wissen Sie das …?« Und nun fehlten ihm die Worte. Er sah sich ratlos um, schaute sie dann wieder an, und ihre Blicke trafen sich, als ihm allmählich ein Licht aufging.
»Detty? Odette … Detty. Du bist das!«
Voller Verwunderung sahen sie sich an, in der Erkenntnis, dass sie eine kurze Zeit ihrer Kindheit miteinander geteilt hatten.
»Ich habe mir oft überlegt, was wohl aus dir geworden ist. Ich hatte gehört, dass deine Eltern ertrunken waren, und mich gefragt, ob du je wiederkommen würdest. Dann ist mein Vater mit mir zurück aufs Land gezogen. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen. Ich hätte es ahnen
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