Das Dornenhaus
und legte an einigen Stellen Papierschnipsel ein, um sie später wieder finden und nachlesen zu können.
Als Odette schließlich das letzte Tagebuch zuklappte, wusste sie, dass sie nun den Schlüssel besaß, um einige der Geheimnisse um die alte Villa zu enträtseln. Es war später Abend, und sie legte den Hörer wieder aufs Telefon, das sofort zu klingeln begann.
Es war Zac. Er sprach mit ruhiger, aber ernster Stimme. »Ich habe seit Stunden versucht, dich zu erreichen, Odette. Was ist passiert?«
Odette wunderte sich nicht, dass er, wo auch immer er war, genau wusste, dass ihr Herz schwer war. »Ein alter Freund ist gestorben … ein alter Soldat, der früher in Zanana gelebt hat.« Sie brachte die Worte nur schwer heraus, und wieder liefen ihr Tränen über die Wangen.
»Das macht mich traurig für dich, kleiner Vogel. Möchtest du, dass ich vorbeikomme?«
»Nein, vielen Dank, Zac. Es geht schon. Hast du deshalb angerufen?«
»Ja. Ich hatte das Gefühl, du brauchst jemanden zum Reden.« Sein besorgter Ton wurde selbstironisch. »Zigeunerunsinn, natürlich.«
»Nein, ist es nicht. Deine Stimme zu hören hat mir unheimlich gut getan, Zac. Das hat mich alles sehr mitgenommen. Wally, der alte Soldat, der gestorben ist, hat mir ein ganzes Bündel Tagebücher über Zanana hinterlassen. Da steht alles drin, Zac. Alles. Na ja, fast.«
Zac spürte ihre Erregung. »Prima. Vielleicht freut es dich zu hören, dass ich mit dem Zanana-Song gut vorwärts komme. Zwei Bilder tauchen immer wieder vor mir auf – Rosen und das indische Haus. Mit den Rosen habe ich keine Schwierigkeiten, aber ich weiß nicht, warum ich ständig dieses indische Haus vor mir sehe. Es passt nicht zu dem Text, den ich schreibe.«
»Ich habe hier einen Rosenstock, den ich Wally mitbringen wollte. Morgen fahre ich nach Zanana und pflanze ihn ein. Ich muss das einfach tun. Für Wally.«
»Was hast du sonst noch in Zanana vor?« Seine Stimme klang wieder besorgt.
»Ich will mit der alten Hexe reden. Sie kann mir vielleicht helfen, die letzten Geheimnisse um Zanana zu lösen.«
»Sei vorsichtig, Odette«, sagte er leise.
»Ist schon gut, Zac. Ich habe deine Warnung nicht vergessen. Ich werde mich vorsehen, wenn ich auch nicht recht weiß, wovor. Und wenn ich jetzt nicht gleich ins Bett gehe, schlafe ich noch am Telefon ein.«
Mick O’Toole rief Odette am nächsten Morgen in der Redaktion an.
»Stoppt die Maschinen!«, befahl er mit einem Lachen.
Odette hielt den Hörer auf Armeslänge von sich weg und rief der verblüfften Redaktion zu: »Stoppt die Maschinen!« Dann nahm sie den Hörer wieder ans Ohr. »Hoffentlich ist es was Wichtiges, Mick, es kostet nämlich ein Vermögen, die Druckmaschinen anzuhalten«, lachte sie.
»Aus wohlinformierten Kreisen des Empire Hotels ist zu hören, dass Mr. Beck dort gestern Abend mit einem gewissen anderen Stadtrat an der Bar saß und davon sprach, dass die Villa in Zanana abgerissen wird, weil der Besitzer es so will, und dass alle Protestkundgebungen der Welt sie nicht retten könnten. Also los, schreiben Sie das, dann können Sie die Maschinen wieder anwerfen.« Er klang sehr zufrieden mit sich.
»Das ist alles sehr verwirrend. Aber trotzdem tausend Dank, Mick.« Odette sah auf die Uhr. »Lieber Himmel, mein Mittagessen mit Matt! Halten Sie Augen und Ohren offen, O’Toole, ich melde mich später wieder.«
Sie schnappte sich ihre Tasche und rannte aus dem Büro.
Matthew Tead saß bereits am Tisch und hatte eine halb leere Weinkaraffe vor sich.
»Sei mir gegrüßt, Genossin«, sagte er grinsend. »Es macht dir doch nichts aus, dass ich schon ohne dich angefangen habe? Wie läuft der Kampf?«
»Prima. Hast du was Neues für mich?«
»Allerdings. Erst die schlechte Nachricht … ich bin sehr hungrig.«
Odette lachte. »Du treibst mich in den Bankrott.«
»Jetzt die gute Nachricht – es gibt keine. Und wie man so sagt, keine Nachricht ist eine gute Nachricht.« Matt bemühte sich, keine Miene zu verziehen, und goss ihnen beiden Wein ein.
»Sehr komisch, Matt. Ich habe diese ganzen Papiere gelesen, sogar mehrfach, und kann nichts finden, was mir irgendwie bekannt vorkommt. Nicht den kleinsten Anhaltspunkt«, sagte sie frustriert.
»Falsch. Ein paar dieser Firmengründungen wurden von einer Rechtsanwaltskanzlei namens Dashford in die Wege geleitet. Die Kanzlei gibt es nicht mehr. Als ehemaliger Rechtsreferendar fühle ich mich verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass junge Reporterinnen
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