Das Dornenhaus
großen rostigen Dosen mit importiertem Kaffee und Tee. »Die sind bestimmt nicht mehr gut.«
»Wofür ist das denn?«, fragte Dean und musterte prüfend einen an der Wand angebrachten Kasten mit einer Reihe kleiner Holzklappen, die darüber mir etwas verbunden waren, das wie eine Fahrradklingel und ein Telefon aussah.
Odette schnippte eine der Holzklappen herunter. In Goldbuchstaben stand da »Kleines Wohnzimmer«. »Das muss so ein Klingelding sein, mit dem die Dienstmädchen gerufen wurden«, erklärte Odette. »Schau bloß, wie viele Zimmer es gibt.«
»Komm, wir sehn uns mal um.« Der Junge ging an der Speisekammer vorbei in den Flur. Nach links zweigte ein Korridor ab, rechts führte eine Treppe nach oben.
»Lass uns erst mal im Erdgeschoss bleiben«, schlug Dean vor.
Zimmer gingen in andere Zimmer über, Flure führten im Kreis, und Odette verlor jede Orientierung. Den Möbeln aus englischem Holz, Leder und Polstern, die in dunklen Ecken standen, schenkten sie wenig Beachtung, bewunderten aber die riesigen Räume mit den hohen Decken, geschnitzten Holzpaneelen, altmodischen Beleuchtungskörpern und reich verzierten Spiegeln.
»Mann, hier könnte man ja Tennis spielen!«
Odette lief zu einem Bücherschrank mit Bleiverglasung, der vom Boden bis zur Decke reichte. Die Glastüren waren abgeschlossen, und sie legte den Kopf schief, um die Titel auf den Buchrücken der alten ledergebundenen Bücher zu lesen. »Ich wünschte, ich könnte da dran und die lesen … ich liebe Bücher.«
Aber der Junge rief sie schon aus dem nächsten Zimmer. »Sieh dir das an!«
In der Mitte des Spielzimmers stand ein großer Billardtisch mit geschnitzten Eichenholzfüßen. Er war mit einem ehemals weißen Tuch abgedeckt. Dean hob eine Ecke des Tuches an, worauf der makellose grüne Filz zum Vorschein kam.
»Und sieh mal hier, auf diesem Tisch sind Spielbretter in verschiedenfarbigem Holz eingelegt. Schach, Dame und Cribbage.« Odette ließ ihre Hand über die glatten Intarsien gleiten.
»Lass uns nach oben gehen.«
Von der Eingangshalle aus führte eine breite, geschwungene Treppe zu einer Galerie auf der ersten Etage. Sie beugten sich über das Geländer, sahen nach unten zum Eingang und fragten sich, ob wohl einmal jemand von hier auf den Marmorboden hinuntergestürzt war. Über ihnen hing ein dreikränziger Kronleuchter, das tropfenförmige Kristall war matt und staubig.
Von der Galerie gingen Zimmer ab, und sie öffneten die Tür des ersten. In seinem ursprünglichen Zustand musste es ein hübscher Raum gewesen sein, tapeziert mit einer William-Morris-Tapete. Hohe Fenster führten zum Rosengarten hinaus, Fenstertüren öffneten sich auf einen Balkon. Aber in späteren Jahren waren Metallstangen angebracht worden, von denen die Überreste eines grünen Vorhangs herabhingen, mit dem man das Zimmer in zwei Hälften teilen konnte. Die Betten wirkten seltsam unpassend – mattes Metall, hoch und skelettartig, mit Kopf- und Fußteilen, die sich in eine aufrechte Position bringen ließen. Dünne Rosshaarmatratzen rochen muffig und alt. Es war ein kalter, steriler Raum, sie verließen ihn ohne ein Wort und öffneten die nächste Tür. Das Zimmer war genauso eingerichtet.
An der Tür daneben war ein schwarz-weißes Porzellanschild mit der Aufschrift Badezimmer angebracht. Über einer tiefen weißen Wanne auf Klauenfüßen hing ein verrosteter Duschkopf an einem Metallrohr. Ein Nachtstuhl mit einem fleckigen Nachttopf stand in einer Ecke neben dickwandigen Porzellanwaschbecken.
»Igitt.« Odette schloss die Tür. »Sieht aus wie ein Krankenhaus.«
»Das muss es wohl auch gewesen sein. Schau mal.« Der Junge lugte in ein anderes Zimmer, in dem ein altmodischer Badestuhl aus Rohr und mehrere antiquierte Rollstühle übereinander gestapelt waren.
In dem Moment schraken sie beide zusammen, als sie Schritte auf dem Kies vor dem Haus hörten. Vorsichtig schlich sich der Junge ans Fenster.
»Mein Vater«, flüsterte Dean. »Schnell.«
So leise wie möglich rannten sie die Treppe hinab und in den Flur zur Küche, verpassten aber eine Abzweigung und standen wieder in der Eingangshalle. Durch die geschliffenen Scheiben in der Eingangstür konnten sie die Umrisse einer Gestalt sehen, die am Türgriff rüttelte.
Unter unterdrücktem, aufgeregtem Gekicher kehrten sie um, fanden den Weg durch das Dienstbotenzimmer in die Küche und hinab in den Keller.
»Wo ist die Taschenlampe? Ich kann nichts sehen.«
»Ich muss sie oben liegen
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