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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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gehen Seite an Seite durchs Leben, aber jeder folgt seiner eigenen Bestimmung. Weichen Sie nicht von Ihrem Weg ab, um vor oder hinter dem anderen herzugehen, sondern folgen Sie Ihrem eigenen.«
    Catherine nickte. Alles, was er sagte, ergab für sie einen Sinn und verlieh ihr da Gefühl von Ruhe und Gelassenheit.
    Der Guru griff in eine Tasche unter den Falten seines Gewandes, holte einen kleinen Gegenstand heraus und erklärte: »Ich gebe Ihnen dieses heilige
lingam
. Es ist kein Gegenstand der Anbetung, aber ein Symbol, das viele Dinge verkörpert.« Er nahm ihre Hand und ließ einen länglichen, eiförmigen grauen Stein mit roten Tupfen hineingleiten. Er war schwerer als ein gewöhnlicher Stein und sehr glatt.
    Catherine schloss ihre Finger darum, und er lag eingeschlossen in ihrer Handfläche. Sofort spürte sie ein Kribbeln in ihren Fingerspitzen. »Was ist das?«, flüsterte sie.
    »Man glaubt, dass diese tantrischen
lingams
während der Schöpfung der Welt vom Himmel fielen. Sie sind nur an einem einzigen Ort zu finden, am Narmadafluss. Sie verkörpern eine Form der Energie und versetzen Sie in Harmonie mit Ihrem Inneren. Der Stein ist ebenfalls ein Fruchtbarkeitssymbol.«
    Catherine schlug die Augen nieder und errötete. Der Guru streckte die Hand aus und berührte ihren Scheitel. »Frieden, mein Kind. Denk daran, dass dieses Leben nur der Beginn einer Reise zu einem Zustand der Glückseligkeit ist.«
    Catherine blieb mit gesenktem Kopf sitzen und hielt beide Hände um den kleinen grauen Stein geschlossen, den sie an ihr Herz drückte.
    Der Guru erhob sich langsam und ging zu Robert hinaus. »Ihre Frau ist etwas Besonderes, Mr. MacIntyre. Sie ist wie eine Blume, die Süße und Schönheit in Ihr Leben bringt. Sie ist ein Geschenk. Machen Sie jeden Moment ihres Lebens zu einer Kostbarkeit.«
    Robert blickte in die Augen des Gurus, die wie tiefe schwarze Teiche waren, und versuchte zu ergründen, was er dort sah. Ruhig erwiderte der Guru seinen Blick, und Robert war der Erste von beiden, der mit einem Gefühl der Beunruhigung wegsah.
    Catherine kam heraus und nahm Roberts Arm, um sich von dem Guru zu verabschieden. »Frieden«, sagte sie. Der Guru verbeugte sich und berührte sein Herz.
    Robert verstärkte seinen Griff um ihren Arm und führte Catherine zur Tonga. Der Guru richtete sich auf und sah ihnen mit einem sanften, traurigen Lächeln an.
    Sie begaben sich auf den Weg zu dem Platz, an dem sie den Landauer zurückgelassen hatten.
    Beide schwiegen, und nur das Trappeln der Pferdehufe war zu hören. Robert sah Catherine von der Seite an. Sie starrte in die Ferne, die eine Hand in der Tasche der kurzen Taftjacke über der hochgeschlossenen edwardianischen Bluse.
    »Willst du mir davon erzählen?«, fragte er sie leise.
    »O Robert … es ist schwer zu erklären. Er hat nur über … verschiedene Dinge gesprochen. Spiritualität, das Leben, Frieden und darüber, dass man dem eigenen Pfad folgen muss. Dass dieses Leben nur der Beginn … anderer Leben sein könnte.«
    »Hm. Das lässt sich nur schwer mit meiner presbyterianischen Erziehung vereinbaren. Was bedeutet es?«
    Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Es bedeutet, dass wir jeden Augenblick auskosten müssen, mein Liebster. Das Leben kann nur ein Zwinkern im Auge der Ewigkeit sein. Lass uns jeden Augenblick zu etwas Außergewöhnlichem machen.«
    »Dem kann ich nur zustimmen.« Er küsste sie auf den Scheitel. »Ich glaube, du und mein Freund Hock Lee, ihr werdet euch sehr gut verstehen.« Robert lächelte, aber das Herz war ihm schwer. Er fand den Tag niederdrückend. Hoffentlich hatte der Hausboy einen guten Whisky parat, wenn sie in die Residenz zurückkehrten.
    Catherine beschloss, das
lingam
, das der Guru ihr gegeben hatte, für sich zu behalten. Sie hatte geschworen, vor Robert nie ein Geheimnis zu haben, aber ein weiblicher Instinkt riet ihr, den Talisman niemandem zu zeigen, selbst ihrem geliebten Mann nicht, denn das würde seine Kraft und Bedeutung mindern. Sie wickelte den eiförmigen Stein in ein Samttuch und legte ihn zu dem Parfümfläschchen in den Ebenholzkasten, den sie zwischen ihren Korsetts und der Unterwäsche im Schrankkoffer versteckte.
    Die letzten Tage in Indien verbrachten sie in Delhi in einem Wirbel diplomatischer und gesellschaftlicher Feste, mit einer Fahrt nach Agra, um den Tadsch Mahal bei Mondlicht zu sehen, dann fuhren sie schließlich mit dem Zug nach Bombay. Sie übernachteten im »Tadsch Mahal Palace«, nahe

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