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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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eingestellt hatten, nie Kinder zu bekommen. Sie liebten Odette von ganzem Herzen, aber das Band zwischen ihnen war so stark, dass Odette sich manchmal wie ein Eindringling vorkam. Ihre Eltern waren anders als die ihrer Schulfreunde. Sie machten alles gemeinsam und schienen keine anderen Menschen zu brauchen.
    Sheila war eine Amateurmalerin, die neben ihrem eintönigen Job bei der Stadtverwaltung zarte Aquarelle von australischen Wildblumen auf kleine Karten und Notizböcke malte, die sie in der Umgebung verkaufte. Weder hübsch noch reizlos, mit weichem braunem Haar, in dem kastanienbraune Lichter spielten, war sie scheu und eher zurückhaltend.
    Sie hatte Ralph, der in seiner Freizeit als freiwilliger Ranger für die Nationalparkverwaltung arbeitete, im Busch beim Sammeln von Pflanzen für ihre Zeichnungen kennen gelernt. Er hatte sie sanft dafür getadelt, dass sie geschützte Blumenarten gepflückt hatte.
    Sheila war verlegen gewesen, hatte sich entschuldigt und ihm erklärt, dass sie nichts von dem neuen Gesetz gewusst hatte. Ralph schlug vor, sie solle ihr Skizzenbuch mit in den Busch bringen, und versprach, ihr ungewöhnliche Pflanzen zu zeigen, verborgene Blumen und einen besonderen Bach, an dem man manchmal Schnabeltiere sehen konnte.
    Zunächst ein wenig furchtsam, doch beruhigt durch seine Dienstmarke und die Uniform, willigte Sheila ein, sich am nächsten Tag mit ihm zu treffen. Allmählich wurden ihre Ausflüge zu einer wöchentlichen Gewohnheit. Ralph behauptete, er hätte keine künstlerischen Fähigkeiten, doch Sheila sagte ihm, er habe das Auge eines Künstlers, weil er die Schönheit im unwirtlichen Buschland sah. Begeistert zeigte er ihr Farne, die an einem Bach wuchsen, moosige Steine und kleine Höhlen, dazu verborgene Plätze mit seltener Fauna. Er machte sie auf Vogelnester aufmerksam, auf ein Opossum, das in einer Astgabel schlief, und einmal sahen sie einen Leierschwanz, der seinen wunderschönen, harfenförmigen Schwanz zur Schau stellte, während er für seine Auserkorene tanzte.
    Ihre Freundschaft entwickelte sich bald zu einer ernsthaften Bindung, und sie heirateten ein Jahr darauf. Sie zogen in das kleine Haus im Vorort Kincaid. Sheila behielt ihre Stelle bei der Stadtverwaltung, und Ralph arbeitete weiter für das Elektrizitätswerk. Ihre Freizeit widmeten sie ihrem kleinen Garten, machten Ausflüge in den Busch, zu den Blue Montains oder zu den sumpfigen Lagunen an der Küste. Ihr Lieblingsplatz war der Mangrovensumpf entlang dem Paramatta in Kincaid. Dort beobachteten sie stundenlang Vögel und erforschten die Pflanzenwelt, sprachen wenig, waren aber zufrieden in der Gesellschaft des anderen und betrachteten den Mikrokosmos in der trüben, von Schatten erfüllten Welt zwischen Wurzeln, Schlamm und Schilf.
    Die Jahre vergingen glücklich und friedlich. Dann entdeckte Sheila unerwartet und zu ihrer beider Freude, dass sie schwanger war. Sie gab ihre Stelle auf und widmete sich ganz Odette und Ralph.
    Odette trank ihren Tee und beobachtete ihre Eltern, die Nylonschnüre entwirrten, kleine Bleigewichte befestigten und schimmernde Haken anbrachten.
    »Mal sehen, ob wir bei der Sandbank Weißfische und Flachköpfe kriegen, Ralphie.«
    »Kommt auf die Gezeiten an. Hast du die Ködermischung fertig, Sheila?«
    »Steht im Kühlschrank. Morgen früh hole ich noch Garnelen. Vielleicht auch ein paar Meeräschen.«
    Odette trank ihren Tee aus und nahm sich noch einen Keks. »Na gut, dann kann ich mich ja schon auf das Fischessen morgen Abend freuen.«
    Ihre Eltern strahlten sie an, und sie kehrte zu ihren langweiligen Schulbüchern zurück.
     
    Sheila und Ralph machten sich für ihre Angelfahrt fertig, als Odette aus der Schule kam. Der Himmel war bedeckt, aber es sah nicht nach Regen aus. Odette küsste sie zum Abschied, und die beiden machten sich mit Eimer, Angelzeug und Fangnetz auf den Weg.
    »Sei schön vorsichtig, wenn du mit dem Rad fährst, Detty. Wir sind kurz nach Einbruch der Dämmerung zurück.«
    »Außer sie beißen an wie verrückt«, grinste ihr Vater.
    »Keine Bange. Ich werd die Erbsen und die Kartoffeln fertig haben … und die Eier, falls ihr nichts fangt«, lachte Odette.
    »Von wegen! Die Viecher haben keine Chance gegen uns.«
    »Ralph! Nimm den Mund nicht so voll!« Sheila lachte.
    Hand in Hand, trotz der ganzen Angelausrüstung, riefen sie Odette einen Abschiedsgruß zu und gingen zum Auto. Sie fuhren zum Bootsschuppen, wo das Ruderboot vertäut war, und ruderten den

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